100 Gedichte (16, 17 und 18)

Herbstwelt

Wenn du am Morgen dir
Auf die Spur kommst
Musst du verdammt achthaben
Dass du nicht zu weit gehst
Dass du nicht plötzlich auf ein Schild stößt
auf dem Stadtende steht
Die Erde ist eine Scheibe
Und hat Löcher
Wer weiß vielleicht
Reißt der Novemberwind
Irgendein Nest
Irgendein Kuckuckskind
Das während der Nacht
Fest an Bruder und Schwester klebte
Entzwei
Hebt es an seidenen Fäden
Hinaus aus der Zeit

 

Kopfknistern

Schlaf Schlummer schlaf ewig immer ich
Gewissenzerzaust liegt mein Kopf faul im Aus
Schlaf selig schlaf weiter wimmernd ich
Zuhaus ich hab kein Zuhaus
Döskopp im Tran schlaf bis zur Explosion
Die Schafwolle knistert schon
Schlaf brav ich weiß noch nicht was
Streckt mich dies nicht weckt mich das

Mein persönlicher Adjutant
Gibt hiermit öffentlich bekannt
Spielende hat die Eroberung der Stadt geplant
Liebe dein Auge
Vergib deinem Zahn
Spielende hat die Vernichtung der Stadt geplant
Nur ein paar Wörter noch
Bis zum Tilt

 

550 Spyder

Ich wiederhole
Schlüssel umdrehen und ab geht die Pastorale
Mein Töfftöff drei Monate TÜV
rollt die Spielzeugstadt nieder
auf dem mehrdeutigen Teer
mache ich mich labil
Schach den Blechschlawinern
In diesem verbeulten klappernden Es-War-Einmal
geht es holterdiepolter über Pi und Daumen
Nur her mit dem nächsten Unfall
Im Wolkenbruch der Unsicherheiten
Splittert das Glass der Weltschutzscheibe
Geben die Knautschzonen der Sehnsucht nach
Kommt aus den Türlautsprechern
Krachend mein Lieblingslied

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017

 

100 Gedichte (15)

Zentralsonne

Augenblick meines Lebens
Kreise ich elliptisch um die Zentralsonne
In der ersten Planckzeit ist alles passiert
Jahrmilliarden nach der Photosynthese
Glühen meine verkaterten Muskeln
Nur ein lautloses Wuchern des Raums
Kälte die durch die Zellwände kriecht
Stärke zu Staub
Schlacke im Kröpfchen
Brenn
Toter Stern

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017)

100 Gedichte (13 und 14)

Robotron

Quietschgelber Quartzwecker piepst Alarmzeichen
Scheucht die butterweichen Träume
In den schaumig geschlagenen Hinterkopf
Angeschlagene Boxer warten am Montagmorgen
Beim Joghurtlöffeln auf weitere Anweisungen der Firma
Schnippen hilflos Zigarettenkippen in den toten U-Bahnschacht
Sommerschlußverkaufsgesichter folgen
Mit verschwollenen Augen
Der BZ zur radioaktiven Frühstückspause
Guten Morgen arbeitsscheues Gesindel
Irgendetwas nicht in Ordnung
Mit den Lottoscheinen im zerknüllten Plastikbecher
Halbvoll mit labbrigem Instantkaffee von Aldi
Mahlzeit verschwiegene Mehrheit mit den Füßen unter deutschen Tischen
Fischers Fritz macht alles klar
Ernst Werner Siemens pfeift am Benther Berg
Auf die getürkten Lohnstreifen im Handschuhfach des geleasten Opel
Die verstohlenen Ständer wenn die Fabriksirene uns einen zum Feierabend bläst
Schnell noch einen Bumshuhnwitz vor dem verdienten Wochenende
Wir verschwinden ganz unten im Luftschutzkeller
Arbeitsplatz hin Akkordlohn her
Robotron war hier
Hat den guten Kampf gekämpft
Den Lauf vollendet
Den Glauben an eine böse Welt bewahrt
Keine Freiheit keine Träne
Hinterherweinen
Kahretsin Türk

 

Ho-Che-Tung

Krieger in der blutigen oder überhaupt keinen Schlacht
Trommelt mit euren verbeulten Blechnäpfen
Verscheucht Bismarcks Frau und ihre marinierten Heringe
Rollt den Bundesfinanzminister in die Schlucht unter Geiern
Lasst mich mitstürzen lasst mich berichten

Auch ich sah das Tor in lodernden Flammen
Riesige As auf endlosen Wänden
Schrieb ich und schrieb weiter mit kalkweißen Händen
Und jetzt sind wir weltweit feucht-fröhlich verbrüdert
Im Demenzclub der ulkigen Revoluzzer

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017)

100 Gedichte (12)

Großkotz

Streichelst auch du
den Kunstkopf der Nacht
Stille befreit sich und lacht
Schaltstellen schmelzen zu Plastikbrei
Fahren ihre glühenden Fühler aus
Irgendjemandes glatzköpfiger Wille
Warf einen Stein in das Traumhaus
Ja ja es war
Graf Rotz von der Backe

Jetzt seh ich Farben und Wellen
und höre Rasseln und Schellen
Unaufhörlich hinaus
Pflanzt sich der Schall
Fort fließt der Hall
Verliert sich verloren
Kriecht eine Amöbe
Aus dem ersten Buch Mose
Hinein in wer weiß welche Ohren

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017)

100 Gedichte (11)

Mundgeruch

Blau blutig und rau vom Reif
Reißt sein Fauststumpf
den Gesangbuchhimmel auf
Seine Befehle sind einfach
Wenn er zurückkommt
Vom Gemetzel
Füll den Kühlschrank
Guck nach den Weibern
Piss über den Spülstein
Prüf die Auszüge deiner Bank
Melde gehorsamst
Aufschlag Nummer sieben
nach bestem Sie wissen schon ausgeführt
Gedichtzähne geputzt
Wortmotor abgewürgt

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017)

100 Gedichte (8, 9 und 10)

Im Stollen

Etwas in mir
Knirschend und kreischend
Etwas in mir
Festgerostete Bergwerkslore
Etwas in mir
Rumpelnd und stockend
Etwas in mir
Ja watt denn nu

Tief unten
Im Stollen des Hasses
Splittern die Stützbalken
Ich knie zum Gebet
Die schwarzgrüne Schlammflut
schwappt
Hoch über meinem Kopf
Knochige Arme

Etwas in mir
Im Folterkeller
Etwas in mir
Schreit und zerrreißt
Etwas in mir
Atmet
Etwas in mir
Sagt etwas

Kreuzberger Nacht

In der Nacht
Endlos atmend
In der Nacht
Wenn ich schwer werde wie ein Schiffsanker
Küchenfenster im vierten Stock
Bernstein macht Flügel
Wenn meine Teufel ihre Ballkleider ausprobieren
Laden zum Totentanz
Unentwirrbares Zerwürfnis
Dieser verflixte Walfisch
Prustet
In der Nacht

German Dancers

It’s a slow-beat cold-blooded bad rock’n’roll
So rattle to the rhythm put off your tight shoes
It’s a five-minute running wild eighty-eight blues
It’s something from deep down inside of the hole

No don’t tell me your troubles don’t tell me of money
Don’t tell me your secrets ’cause that’s just not funny
Don’t tell me of things you’d like to get done all of your life
I just have to check if you can dance inside

Ah don’t tell me that your new car’s broken down
Don’t tell me your vice-boss acts like a circus clown
Don’t tell me of fishes don’t tell me of chips
I just gotta know if you can shake your hips

Don’t tell me that you’ve forgotten to laugh
Don’t tell me my future I won’t tell you my past
For deciding the question if you got first class
I first must see if you can move your sweet ass

Bah don’t tell me about the wide world outside
That eats up your dreams that steals even your sleep
Don’t tell me the streets of your hell are paved with pure gold
I really must know what’s gotten hold of your soul

No don’t tell me this city’s a big fat newspaper joke
Don’t tell me your hopes don’t tell me you’re broke
Don’t tell me of your super fantastic head
I just have to check if your limbs are of lead

Now all you lustful German dancers believe me or not
There are too many people but too few guts
And if the strings of your heart are tuned high enough
There’ll be a free place for you in my parking lot

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017

Atempause mit Prinz Pi!

Ich hör zur Zeit viel Prinz Pi, zum Beispiel das hier …

Rebell Ohne Grund (Kompass Reprise)

Bin neulich mal zurückgegangen
Im alten Klassenzimmer, letzte Reihe
Krasse Spinner, beste Zeiten, blass erinnert
Tische bekritzeln mit paar
Fuck Rektor Skinner ?
Ist mir auch heut nicht peinlich
Jede Zeile passt für immer
Würd´ ich tätowieren, Platz ist genug
Auch die dreckigsten Fluten von Blut
Die waschen den Bug
Und denk ich auf dem kalten Flur
Zehn Jahre nach dem Abitur
Bin ich wieder der unbeliebte Junge
Mit der Kackfrisur
Atme einmal durch – atme zweimal durch
Die Tür geht auf, die Augen geradeaus
Zeig ihnen nie deine Furcht
Wie es geht ? irgendwie, danke doch
Frag mich nur wielange noch
Frag du dich mal wielange noch
Die Jungs sind kahl geworden
Mädchen sind bequem, bisschen fett, bieder nett
Runde Rädchen im System
Jeder Blick taxiert
Bleibt für immer Aussenseiter
Konto voll, Herz leer
Die Erfolgreichsten sind auch gescheitert
Der Raum ist voll
Sie drehen sich um sich selbst
Drehen sich um sich selbst
Sie drehen sich um sich selbst
Und wohin sie sehen
Sehen sie nur sich selbst
Daraus schließen sie
Wie wir – so ähnlich ist die Welt
Da parken die SUV´s, Leder riecht neu
Das brave Heer, atme Teer
Ich hab noch Federn von Euch
Die meisten sind verheiratet
Die wenigsten treu
Ich würds nicht geschenkt haben wollen
Das Leben von Euch
Und wenn das Alter kommt
Und der Alltag dich frisst
Man lügt sich weils bequem ist ins Faltengesicht
Aber die allerbesten Weine die halten sich nicht
Und ich so Klasse 6, Flasche ex, nicht einmal abgesetzt
Ich atme nochmal durch – atme rasselnd durch
Die Tür geht auf, die Augen geradeaus
Ich mach die Sache kurz
Die eine Hälfte kaut weiter
Die andere verstummt
Keine Krawatte – meine Platte
Rebell ohne Grund
Die Jungs sind kahl geworden
Mädchen sind bequem, bisschen fett, bieder nett
Runde Rädchen im System
Jeder Blick taxiert
Bleibt für immer Aussenseiter
Konto voll, Herz leer
Die Erfolgreichsten sind auch gescheitert
Der Raum ist voll
Und sie drehen sich um sich selbst
Drehen sich um sich selbst
Sie drehen sich um sich selbst
Und wohin sie sehen
Sehen sie nur sich selbst
Daraus schließen sie
Wie wir – so ähnlich ist die Welt
Werde nie einer von Euch
Bleibe einer denen
Die zu meinen Konzerten kommen
Um mich weinen zu sehen
Einer von denen – die meine Zeilen verstehen
Weil man ihr Leben lang
Vor ihnen stand wie vor einem Problem
Machmal komm ich nach Hause
Um die Kleine zu sehen
Um in den Spiegel ihrer Augen
Meine eigenen zu sehen
Doch meine Schuhe stehen halt da
Um damit weiterzugehen
Und die Frau mit meinem Namen
Muss das leider verstehen
Bleib du mal besser da
In deinem kleinen System
Aber wenn du alleine weinst
Hat das keiner gesehen
Bleib mal da in deinem bequemen, heilen Leben
Doch ich will gar nicht wissen welche Geister dich quälen
Welche Geister dich quälen
Welche Geister dich quälen
Welche Geister dich quälen
Welche Geister dich quälen
Will nicht wissen welche Geister dich quälen
Ich will nicht welche Geister dich quälen

 

Die Lyrics sind nicht perfekt abgehört. Wenn man genau hinhört sind ein paar Fehler drin, aber macht nix.

100 Gedichte (6 und 7)

CV

Hör die Glock schlägt Mitternacht
Meine Mutter hat gesagt
Eins drei fünf eins neun acht acht
Spiel mit Feuer spiel mit Licht
Spiel im Dunkeln stürz ins Wasser
Kunterbunter Tausendsassa
Spiel mit deinem Weltempfänger
Werd ein Tri-Tra-Trauersänger

Vielstromland

Wonach ich suche
Sambatanz der Seele
Was ich habe
Nicht das was ich will
Lonesome cowboy Bill

Katze vor Mausloch
Ein Fehler zu viel
Eine Chance zu wenig
Zwischen Maas und Memel
Alles vorbei

Wer mehr weiß als ich
Schmeiße den ersten Stein
In den Fluss
Des Vielstromlands
Pistazienschalen kackende

Schlafende Pferde im August
zwischen Euphrat und Tigris
Flohbiss und Dünnschiss
Wer weckt sie auf
Aus Marcs Träumen

© Wolfgang Haberl (Zweite Hälfte 80-ger / 2017