Der 1969 veröffentlichte Roman „Slaughterhouse-5“ von Kurt Vonnegut ist längst ein Klassiker der nordamerikanischen Literatur. Das hat mindestens zwei Gründe. Einmal gehört der Roman zu den wichtigsten Werken der modernen Antikriegsliteratur (in Deutschland etwa Heinrich Böll oder Wolfgang Borchert). Das Buch beschreibt in einem seiner Handlungsstränge nämlich die unnötige Bombardierung Dresdens im Februar 1945, die Vonnegut persönlich erlebt hat und die er in der Figur des (Anti-)Helden Billy Pilgrim nacherzählt. Im Keller des stillgelegten „Schlachthof-5“ überlebt eine Gruppe von amerikanischen Kriegsgefangenen das Inferno und kann davon berichten. Der Roman gehört, zweitens, zu den (glücklicherweise relativ kurzen und im Vergleich zu anderen Romanlabyrinthen noch relativ einfach zu lesenden) Klassikern der sogenannten „postmodernen“ Literatur. Dieser nie genau definierte, schillernde Begriff versucht einige Charakteristiken zu beschreiben, die speziell die nordamerikanische Literatur ab der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts auszeichnen. „Slaughterhouse-5“ macht ständig Anspielungen auf andere (erfundene oder wirkliche) Bücher und reflektiert die eigene Handlung in ihnen (Intertextualität). Neben der Erzählung des Kriegsgeschehens in Dresden hat der Roman noch zahlreiche andere Ebenen (das heutige Leben Billy Pilgrims als erfolgreicher Geschäftsmann in Illium, Episoden auf dem extragalaktischen Planeten Trafalmadore, der „Autor“ taucht an mehreren Stellen des Romans direkt auf usw.), eine Schreibtechnik, die von der Literaturwissenschaft gern mit dem Begriff „Metafiktionalität“ umrissen wird. Ein solcher Roman hat natürlich keine lineare und chronologische Erzählweise mehr, sondern hüpft ständig zwischen verschiedenen Zeitebenen und Handlungssträngen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin und her, was in „Slaughterhouse-5“ möglicherweise auch mit den im Krieg und bei einem Flugzeugunglück erlittenen Traumata Billy Pilgrims in Verbindung steht. Jede Form von Entwicklung oder Evolution wird geleugnet. Der freie Wille existiert nicht. Die Romanfiguren sind passiv oder werden von undurchschaubaren Kräften und Mächten fremdgesteuert. Aus der Geschichte wird nichts gelernt. Eine verbindliche Weltsicht und ein Sinn des Lebens fehlen (postmoderne Beliebigkeit). Die menschliche Gattung wird als gewalttätig und gefährlich geschildert. Der Krieg in Dresden geht im Vietnam-Krieg von Billys Sohn Robert weiter. Ein an sich vom Verstand her abgelehnter Reproduktionsprozess setzt sich als nicht steuerbarer Instinkt fort und die Weltbevölkerung wächst im Jahre 2000 auf unheilvolle sieben Milliarden, was Vonnegut in Zeiten, als es das Wort „Umweltschutz“ noch nicht gab, erstaunlich präzise prognostiziert hat. Ein solcher Antikriegsroman passte natürlich bestens zu den Nach-Hippie-Zeiten und zur Protestbewegung gegen den Vietnam-Krieg. Die sehr düstere und pessimistische Weltsicht Vonneguts allerdings nimmt ein halbes Jahrhundert zuvor Gefühlslagen vorweg, die erst heute nach der Weltwirtschaftskrise 2007 und in einer total globalisierten Welt den Ton angeben. Für meinen persönlichen Geschmack ist der Roman allerdings überkonstruiert.