
William Burroughs ist (für mich persönlich zumindest) weniger interessant als Schriftsteller – die Lektüre seiner Bücher ist reichlich frustrierend, ob auf Amerikanisch oder Deutsch, immer wenn ich versucht habe, etwas von ihm zu lesen, ob „The Naked Lunch“ oder „The Wild Boys“ habe ich jedes Mal genervt die Lektüre abgebrochen – denn als Galionsfigur des lebenslangen, kompromisslosen literarischen Untergrunds, des kategorischen Imperativs des „Neins“ der postmodernen Kunst. Wichtiger als seine Bücher ist somit wahrscheinlich sein wildes Leben und seine Attitüde gegenüber der Kunst. „Kunst“ kommt ja von „Können“, und ob Burroughs schreiben konnte, weiß ich nicht. Was er sicher konnte, ist schockieren. Was er bühnenreif hinbekam, war, im Eisenhower-Amerika der 50er- Jahre Angst und Schrecken zu verbreiten. Er wurde wegen „mental instability“ nicht zum Wehrdienst im 2. Weltkrieg eingezogen (sprich: er war „verrückt“), er war schwul, er war ein Verbrecher (Lucien Carr erstach David Kammerer und dann natürlich die drogenumnebelte, psychotische Ermordung seiner Frau Joan Vollmer in Mexiko im Jahre 1952, von der er sich mit fetten Bestechungsbezahlungen freikaufen musste), er lebte jahrzehntelang parasitär vom monatlichen Scheck seiner reichen Eltern, er änderte seinen Wohnsitz häufiger als seine Socken (um Brecht zu zitieren) und lebte in Wien, New York, Mexiko, Südamerika, Tanger, Paris London undsoweiter, er war heroinsüchtig und abhängig auch von allen anderen möglichen Drogen. Verbrecher, schwul, arbeitsscheu, drogensüchtig, nihilistisch bis zur Selbstzerstörung: nicht gerade der ideale Schwiegersohn. Auch literarisch brach er alle Regeln: seine experimentelle Schreibweise hatte keine klassische Handlung und Progression, Wirklichkeit und Einbildung, Journalismus und Erfundenes gingen ineinander über. William Burroughs war bewusst und extrem radikal, eine Anti-Figur zum „American Way of Life“, die ja seit vielen Jahrzehnten auch unseren Lebensstil in Europa dominiert.
Am wichtigsten und ausdrucksstärksten sind wahrscheinlich die Werke aus seiner ersten und zweiten Schaffensperiode.
Anfang der 50-er: „Junkie“, „Queer“, „The Yage Letters“ (noch eher traditionell erzählt)
Mitte der 50er bis Mitte der 60er: seine bekanntesten Bücher, die hauptsächlich in Tanger und Paris entstanden und aus einem einzigen langen Manuskript („The Word Hoard“) destilliert worden sind: „The Naked Lunch“ und dann die manchmal als „The Cut-Up-Trilogy“ und von ihm selbst „A Mythology for the Space Age“ genannten Romane „The Soft Machine“, „Nova Express“ und „The Ticket that Exploded“.