Tot wie Stein

In einem Interview mit der „Zeit“ aus dem Jahr 2012 hat der inzwischen verstorbene französische Schriftsteller Michel Butor bemerkt, dass seit zehn oder zwanzig Jahren nichts mehr in der Literatur passiere. Es gebe eine Flut von Veröffentlichungen, aber einen geistigen Stillstand.[1]

Eine solche Einschätzung teile ich nicht nur aus ganzem Herzen, ich bin sogar noch viel radikaler und behaupte, dass seit fünfzig Jahren nichts mehr Interessantes mehr geschrieben worden ist. Es ist auch nicht mehr möglich, den Kopf in den Sand zu stecken und wacker weiterzuschreiben. Keiner in Zukunft wird mehr einen Roman, einen Gedichtband oder Erzählungen, Theaterstücke etc. in die Tastatur hämmern, die irgendetwas Relevantes zum Literaturkanon beitragen.

Woran das liegt, ist ein sehr komplexes Thema, das mit der Verschiebung der Parameter zusammenhängt, die seit dem klassischen Altertum oder (wem das zu großkotzig ist) zumindest seit der Aufklärung unsere Ideen von Persönlichkeit, Erziehung, Entwicklung, Kultur und Kunst abgrenzen. Mit dem „homo elettronicus“, den Marshal McLuhan in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu definieren versucht hat und noch mehr mit dem „homo digitalis“, über den Byung-Chul Han so spannend schreibt, bricht sich immer mehr ein neues Zeitalter Bahn, wie es das Abendland bisher nicht gekannt hat. Dieses neue Zeitalter wird nicht nur völlig anders sein, sondern in jeder Hinsicht qualitativ sehr viel schlechter.

Hier gilt es anzusetzen und längerfristig weiter zu forschen.


[1] http://www.zeit.de/2012/29/L-Kanon-Interview-Butor. Zitiert nach Han Byung-Chul: Im Schwarm. Ansichten des Digitalen. Kapitel Entmediatisierung.  Berlin. 2013. Seite 32.

Sabotage (sang John Cale)

Es geschah am helllichten Tag. Der Herbergsvater bekannte  Miss X seine heimliche glühende Liebe.  Das größte Schießunglück während des Kalten Kriegs. Eine fette Artilleriegranate machte das Zeltlager Kasserine platt. Blut spritzte überall. Wir badeten darin. Alles platt gewalzt. Eine Gewaltorgie. Alles eingeebnet. Keine Rundungen und Erhebungen. Keine halben Sachen.

Nasse verkotete Stiefel und die ganze Nacht oben im LKW hinten auf der Ladefläche, auf Notsitzen aus Eisenrost, auf der Pritsche mit Plastikplane über den nassen Haaren gegen den Nieselschneeregen. Arschkalt da oben. Stockdunkel. Irgendwie schläft man dann aber doch ein. Deutsche Gemütlichkeit. Ein Wunder, dass man sich keine Lungenentzündung geholt hat. Der Dieselgestank des MAN-Lkws, wie er sich durch den Schlamm des Truppenübungsplatzes  wühlt. Deutz-8-Zylinder-Dieselmotor mit 360 PS, Abgasturbolader und Ladeluftkühler. Mit dem kann man auch Roland- und Patriot-Raketen abfeuern. Intelligente Lenkflugkörper. Gegen wen lenken? Die Villen  der Erben von Franz-Josef-Strauß abfackeln.  Der ist nämlich schuld an dem ganzen Scheiß. Der hat sich am dritten Oktober einfach verpisst. Während eines Jagdausflugs beim Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg. Schießt auf Karnickel, Hasen und Hirsche und plumpst einfach vom Pferd.  Röchelt noch ein bisschen und Schluss damit. Abgang der Fürchterliche. Jetzt komm ich zur Sache, Leute. Jetzt rede ich Tacheles. Als die Wichser vom Kreiswehrersatzamt meine Verweigerung ablehnten, meinten sie während des Verhörs, dass die Russen von einem Augenblick auf den nächsten unsere schöne Bundesrepublik angreifen, wenn sie der Hunger zum Dritten Weltkrieg zwingt. Die haben zehn Tage lang nichts mehr gefressen und machen rüber. Die wollen meinen neuen VW-Golf. Dabei stottre ich den jeden Monat ratenweise ab. Ich schreibe stoßweise weiter. Aber woher kommt eigentlich die Wut und Gewalt, die ich in mir spüre? Zorn gegen Groll. Zahn um Zahn. Ich schäme mich fast ein bisschen über mich selbst.

Hallo, liebe Generäle. Endlich habt ihr mich an der Strippe. Ich bin der ausgehungerte Russe. Ich hab vielleicht einen Bärenhunger. Einen Wolfsappetit. Mein Name ist Edgar Edgarowitsch Rodlin. Ich bin seit meiner Geburt überzeugtes Mitglied der russischen kommunistischen Partei. Ich trinke Wodka aus Wassergläsern. Ich hau mir ein Loch in den zugefrorenen sibirischen Baikalsee. Ich bin hier am Militärflughafen Altenburg direkt hinter der Zonengrenze. Meine MIG-21 ist startbereit. Bewundert ihren Lufteinlaufkegel und kleinen Rumpftunnel. Steht andächtig Schlange vor dem Staurohr unter dem Bug.  Hört ihre dröhnende Tumanski-Strahlturbine mit Zweiwellen-Axialverdichter und neu entwickeltem Nachbrenner.  Man versteht kein Wort mehr. Man muss sich alles zubrüllen. Oder sich mit Zeichen verständigen. Unter, zwischen und über den Wolken. Ist das Pflichtbewusstsein  grenzenlos. Strategische Ziele des Klassenfeindes abfangen und bekämpfen. Zwei Maschinenkanonen Nudelmann-Richter. Mit dem Funkentfernungsmesser überprüfe ich die Aussagekraft meiner infrarotgelenkten Streuduftbomben. Kampfsatz sechzig Schuss. Wenn alles den Bach runtergeht, hab  ich immer noch mein ungelenktes Luft-Boden-Feuerwerk. Wind Nord-Ost Startbahn Null drei.  Ich steig auf in die Lüfte. Schwarze Fliegerkappe. Fliegerbrille. Lederhandschuhe. Virginia, meine schwarze Katze miaut neben mir auf dem Cockpitboden. „Der Untergang des Hauses Usher“ steckt in der Brusttasche meiner Pilotenjacke. Da kann doch nichts schief gehen, sprach Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Ich bin in wenigen Sekunden über den Wolken. Muss die Freiheit wohl überschäumen wie ein warmes Hefeweizen, das du falsch einschenkst. Blöder Reinhold Mey. Konstantin Wecker geht mir konstant auf den solchen. Über den Wolken. Aber heute ist eigentlich ein völlig glasklarer Sonnentag. Ich seh bis rüber zum Erzgebirge. Grüß euch Brüder im Geiste. Die anarchistische Internationale hebt die geschlossenen rechte Faust in die Höhe. Hallo Rainer Maria. Grüß dich  František. Lach doch mal ein bisschen. Nicht immer so bierernst. Schau auf die Fotokamera. Da kommt das Vöglein raus. Jetzt lachen bitte. In wenigen Minuten hab ich die Grenze zum Feindstaat erreicht. Den antifaschistischen Schutzwall in zehntausend Metern Höhe überflogen. Das feindliche Bayern. Meine Waffen stehen im Flugzeugrumpf bereit. Keine harmlosen Selbstlaute und Mitlaute, Genossen. Keine Würzwörter, mit denen ich euch die Suppe versalze. Echte Spezialwaffen, die Lachkrämpfe auslösen. Ihr fallt euch alle grundlos in die Arme. Ihr schleckt euch die Lippen beim Küssen. Ein hysterischer chemischer Freudentaumel bricht aus. Psychologische Spezialwaffen aus Russland. Direkt unter strengster  Geheimhaltung vom Oberstleutnant Waldimir Wladimirowitsch Putin organisiert. Geschwärzte Geheimpapiere des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik. Biologische Kampfstoffe, die in Sekundenschnelle alle Hemmschwellen beseitigen. Millionen von Liebessüchtigen in wenigen Tagen. Freibier für alle. Peace and Love. Zinslose Kredite. Millionenschenkungen. Otto Graf Lambsdorff heiratet Honeckers Tochter Sonja. Kampfpilot Rödl ist unterwegs. Fighterpilot. Über den bayerischen Wolken. Meine Heimat Thüringen musst ich verlassen. Wo  die Freiheit grenzenlos ist. Verlassen musst ich der Heimat Ort. Zum Kriege nun zieh ich mit meinen Brüdern fort. Nur ein paar Minuten von Hof nach Kulmbach. Die erste Duftbombe wird über Grafenwöhr ausgeklinkt. Klatscht auf das Gelände des matschigen Truppenübungsplatzes. Schwere süße Jasminduftwolken.. Schon ein bloßer Blick führt zur Ansteckung. Überall Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Soldaten reißen sich ihre Uniformen vom Leib. Werfen die Gewehre auf einen großen Scheiterhaufen, schütten Benzin darüber und zünden ihn an. Die bayerische Luftabwehr hat mich geortet. Ach du liebe Scheiße. Max Streibl ruft Bundekanzler Helmut Kohl an. Der hängt sich sofort ans rote Telefon und weckt den Morgenmuffel Ronald Reagan aus dem Schlaf. What’s the matter, Helmut? An UFO over the German skies? Leave me alone with yor bullshit. Anyway, I’m not interested anymore. Talk with my friend George Bush. Helmut weiß nicht, was er antworten soll. Helmut zögert und zaudert. Die Birne schwankt im Sturmwind. Das ist meine Chance, Leute. Ein Machtvakuum im NATO-Bündnis.  Die Kommandozentralen in Brunssum und Ramstein haben keinen blassen Schimmer, was sie gegen mich machen sollen. Ich überfliege Ingolstadt. Hallo Marie Luise. Bete für mich. Ich klinke zwei Jasminblütenduftbomben über dem AUDI-Werk und der Pionierkaserne aus. Zwei Volltreffer. Direkt ins Schwarze. Die deutsche Automobilproduktion strategisch schwächen. Fünfundzwanzigtausend Facharbeiter, Ingenieure und Manager legen die Arbeit nieder und organisieren eine spontane Love-Parade in der Altstadt. Die Säule der deutschen Wirtschaftskraft bricht krachend ein. Kein Porsche und Mercedes, kein VW und BMW mehr auf den bundesdeutschen Autobahnen. Keiner, der mehr mit zweihundertvierzig Sachen auf der linken Überholspur entlangrast. Unsere volkseigenen Wartburgs und Trabants übernehmen das Kommando.  Baumwollverstärktes Phenoplast.  Krückstockschaltung. Luftansaugrohr für den Winterbetrieb umschalten. Auch die Pionierkaserne ist ausgeschaltet. Zappenduster. Nichts mehr los. Nur noch ein paar schnaufende übergewichtige Ärsche in Uniform küssen sich gegenseitig das Gesicht ab, dass der schleimige Sabber runterläuft. Keine Pontonbrücken über die schöne blaue Donau mehr. Ingolstadt wird zum Zentrum der Porno-Industrie. Keine Sturmboote mehr, die gegen Sumpfschildkröten  kämpfen. Keine Gerste, kein Hopfen. Denen grab ich das Wasser ab. Denen leit ich die Donau in den Auwaldsee um und überschwemme die Altstadt. Das bayerische Reinheitsgebot erkläre ich ab heute für ungültig. Edgar Rödl dixit. Bedeutungslos. Wertlos. Nutzlos. Alles untauglich. Unbrauchbar der ganze Scheiß. Ich verschanze mich klammheimlich in der bayerischen Landesfestung und schieße kilometerlange bunte Girlanden über die ganze beschissenen Schanz. Die ganze verkackte bayerische Hauptlandesfestung. Die ganzen Ingolstädter Rüstungsunternehmen. Königlich Bayerische Geschützgießerei. Keine deutsche Spinnereimaschinenbau Aktiengesellschaft Ingolstadt mehr. Deutschland wir weben dein Taschentuch. Wir weben hinein den dreifachen Fluch. Wir weben, wir weben!  Die parfümierten Taschentücher verkaufen wir dann an die Firmen Rosler und Bäumler. Wir weben, wir weben! Hier duftet sowieso alles zum Himmel. Bis zu mir hinauf über den Wolken. Muss die Freiheit wohl endlos sein. Pipelines bis nach Triest.  CEL und TAL befördern die weiße, klebrige Pampe aus Jasminblütenblättern. Esso und Petroplus pinkeln ihre süßen Duftmarken an die Wände der Unteren und Oberen Pfarr.  Jeder hier bekommt die Liebeshysterie. Der größte Unfall in der Geschichte der industriellen Revolution. Ehrenhain auf dem Westfriedhof. Wegen Wehrkraftzersetzung und Fahnenflucht als Nationalheld geehrt.  Neue erotische Siedlungen zwischen den Festungsgürteln. Alle Tortürme der mittelalterlichen Stadtmauer rosa angemalt,  Kavalier Elbracht und Heydeck, Reduit Tilly, Fronte Rechberg, Vieregg, Preysing, alles zartrosa . Das Verlagsgebäude des Donaukurier. Shocking pink. Alter Nazisack Reissmüller. Reisst sich die Ingolstädter Zeitung unter den Nagel und vereint alles mit dem Nazikampfblatt Donaubote. Gleichschaltung der Presse. Süßer Oberleutnant aus Süßen. Versüßt sich sein erfülltes Leben als Bildhauer, Maler und Zeichner. Trägt stolz sein Eisernes Kreuz I. Klasse. Corps Germania zu München. Bayerischer Verdienstorden. Die Stadt Ingolstadt ehrt ihren großen Sohn und bestreut sein Haupt mit Rosenblättern. Auf Nimmer- Wieder-Sehen. Weiter Richtung weiß-blaue Landeshauptstadt. Die Regierung in München ist in höchster Aufregung. Zwei Duftbomben gegen den bayerischen Landtag und die bayerische Staatskanzlei. Flugblätter über der Ludwig-Maxilians-Universität abwerfen. Liebe und Frieden im bayerischen Land.  Eine Krisensitzung jagt dumm und nutzlos die andere. Ich habe meinen Krisenstab über euch allen schon längst gebrochen. Die verheerenden Duftbomben von Erich Rödl  versetzen euch in Liebestaumel. Machen Münchens Biergärten zu Exerzierplätzen der Freikörperkultur. Der Schaum des Hefeweizens wird rosé. Der süße Senf der bayerischen Weißwürste wird zuckerig.  Prosit, Bayern, lass es dir schmecken. Alle Flora und Fauna verliert Verstand und Instinkt. Die Hauptstadt mit Herz durchweht ein heftiger Jasminduft. Da hammas schon. Nichts mehr los im Freistaat und Deutschlands schönster Urlaubsregion. Keine Gastronomie mehr, keine malerischen Adventsmärkte. Die Schäffler tanzen Kasatschok auf den Biertischen. Die Lichterprozessionen werden ausgeschaltet. Die „Romantic Winter Packages“ werden nicht mehr geschnürt. Deutschlands wirtschaftsstärkste Region war einmal. Schlimmer als der Togo. Kein Weltmeister der Städte und deutscher Meister der Regionen. Kein Aufbruch in Bayern mehr. Alles liegt danieder. Schlimmer als nach dem Zweiten Weltkrieg. Kein Platz an der Sonne. Bayern in Jasmin-Taumel. Orientalische Duft-Ekstase. Die wirtschaftliche Top-Region Deutschlands floppt. Stürzt bis auf Platz  Interessiert- Niemanden-Mehr ab.  Kreishandwerksmeister Max Bachhuber flennt wie nix. Die Stimmung hat sich auf alle Zeiten eingetrübt. Alles kohlrabenschwarz. Die Großbetriebe werden zu Ich-AGs. Gefühlt geht es uns so schlecht wie nie seit Bestehen des Freistaats. Die stabilen Faktoren werden zu labilen Aktoren. Alles wabbelt und wimmert hier. Alles flimmert, wackelt, schwankt und vibriert. Die bayerische Seele wabert im fahlen Morgendunst.  Laber nicht so viel, du bayerischer Lederhosenträger. Keine Komplimente an den Bürgermeister. Die Kommunen im Allgäu walzen in Panik ihre fabelhaften Fußgängerzonen platt. Keiner profitiert mehr von den Steuereinnahmen. Abgang der Fürchterliche. Die Weichen werden falsch gestellt, die heimischen Unternehmen investieren kurzsichtig und überhastet. Keine bundesweiten Auszeichnungen mehr. Unser geliebtes Bayernland ist strukturell zum Kotzen aufgestellt. Der Sprung an die Spitze ist für alle Zeiten misslungen. Der bayerischen Wirtschaft wird die knorpelige Gurgel zugedrückt. Keine Luft auf dem Weg nach oben. Im eigenen Rotz erstickt. Die Gewerbesteuereinnahmen sind wie Greisenschwänze vertrocknet. Versiegt. Nur noch der Blödsinn sprudelt hier munter vor sich hin. Eine Konkurswelle schwappt über das Land, die bayerischen Unternehmer gucken verhuscht in die surrenden Fernsehkameras. Milliardenbeträge werden in Panikverkäufen an Firmen in Mali und Niger verkauft. Oder war es der Sudan und Tschad. Der Standortvorteil ist im Niedergang begriffen, längst verfallen und niedergegangen, als einziger wohnortnaher Arbeitsplatz ist einer in Hinterschmiding im Bayerischen Wald übrig geblieben. Sehr reizvolle Gegend. Ich fliege ab, meine Lieben. Auf Nimmerwiedersehen. Keine langen Schlangen mehr vor Neuschwanstein und Hohenschwangau. Kein beautiful Bavaria.  Keine härtesten Schulen mehr. Ich ziehe in schwindelnder Höhe meine atemberaubende Jasminspur.  Kein Franz Josef Strauß mehr.  Friede seiner Seele. Darf jetzt für immer in den ewigen Jagdgründen nach Wildschweinen und Hasen jagen. Der zitiert mich noch vor seinen paradiesischen Jägerstand am Rande des immergrünen deutschen Waldes vor den Kadi. Wegen Verleumdung. Ich hätte seinen guten Ruf geschädigt. Nirwana Franz, cool down.  Jedes Gedächtnis an dich wird ausgelöscht. Allerhöchste Kulturkommissionen beschließen, dass du  aus den Geschichtsbüchern gestrichen wirst. Ausgemerzt. Getilgt. Die Fibag- und Spiegelaffäre werden endlich gründlich aufgeklärt. Der Mann hat zu viel Dreck am Stecken. Der Bayernkurier wird geschlossen. Plisch und Plum werden ertränkt. Höchst fatal bemerkte Schlich. Für den Posten als Aufsichtsratvorsitzender der deutschen Airbus GmbH  steht Petra Kelly aus Günzburg zur Verfügung. Der europäische Karlspreis der Stadt Aachen wird Franz Joseph Strauß nachträglich aberkannt. Das Treffen mit Erich Honecker im Schloss Hubertusstock am Werbellinsee wird überraschend abgesagt. Der südafrikanische Orden der Guten Hoffnung wird dir abgesprochen. Deine selbst gesteuerte Cessna verliert sich spurlos im Moskauer Nebel. Michael Sergejewitsch Gorbatschow erwartet dich vergeblich. Die Ärzte haben Big Fat Franz Josef für meschugge erklärt. Unzurechnungsfähig. Unheilbar seelengestört. Ein Zocker mit zunehmenden Realitätsverlust. Echt panne, der Mann. Amoklaufender Metzgerssohn. Der hat Bayern zu einem hoch technologischen Indiudtriegelände gemacht. Hat Milliarden von Mikrochips gelötet. Tausende von Krauss-Maffei-Panzern nach Afrika verschachert. Ging bei Augusto Pinochet aus und ein. War dicker Kumpel von Francisco Franco.  Das Kulturleben in Bayern ist während seiner Regierungszeit verödet. Vertrocknet. Jämmerlich eingegangen. Es gibt keinen Schriftsteller, es gibt keinen Musiker, es gibt keinen Maler, es gibt keinen verdammten wichtigen Künstler, der in den letzten dreißig Jahren aus Bayern gekommen ist. Alles so mickrig, so beschissen provinziell. Reicht euch der Intelligenzquotient von Rosi Mittermaier? Die Spiritualität von Michael Pössinger? Warum hat niemand rebelliert? Wo sind die feurigen Geister geblieben. Wiegelt die bayerischen Massen zur Revolte gegen den Freistaat auf. Wo habt ihr euch versteckt? Diese Mümmelgreise haben uns beschissen. Die tattrigen Ärsche haben uns unsere Jugend geklaut. Die müssen uns eine Entschädigung zahlen. Bitte überweisen Sie unverzüglich einen Betrag in Höhe des bayerischen Bruttoregionalprodukts auf das überzogene Konto von Edgar Rödl bei der Berliner Sparkasse, Filiale Kreuzberg SO 36. Aber flott, Herr Finanzminister Tandler. Max Streibl.  Doktor Ludwig Huber. Doktor Otto Schedl. Wieviel Grips in seinem Schädel? Was habt ihr gegen Edgar Rödl? Ihr könnt doch hier nicht einfach nur Audis und BMWs bauen und den Redakteur der Feuilletonseite zum Sozialamt schicken.  Der hat sich nur einmal getraut, seine Stimme zu erheben. Den hören wir in seinem Büro ab. Wanzen in seinem Telefon. Welches doppelkinnige Mitglied des Landtags in schwarzem Anzug und weißblauer Krawatte hat entschieden, dass der Bundesnachrichtendienst seinen Standort in Pullach haben muss?  Ich fordere jeden liebestollen Bayern auf, sich in rebellischen Scharen zu organisieren und bei der Vereitelung des Verrats am Vaterland seinen Beitrag zu leisten. Bayern muss wieder ein Land werden, wo Kunst entsteht. Weg mit deinen Rüstungskonzernen. Militärflughäfen, Weg mit Siemens. Weg mit den Neonazis. Weg mit der CSU. Weg mit dem Altmühltal. Weg mit den Nürnberger Lebkuchen. Weg mit dem Bamberger Reiter. Würzburger Dom. Walhalla in Regensburg. Befreiungshalle in Kelheim. Die Tempel der deutschen Unverbesserlichen. Gaubodenvolksfest in Straubing. Oktoberfest in München. Ich hab miese Laune auf der Wiesn. Ich bin voll in den Miesen. Schloss Johannisburg im geliebten Aschaffenburg. Nach der Besichtigung bekämpfe ich mit Johanniskraut meine schlechte Laune. In der Basilika Vierzehnheiligen treffen sich die Hexen zur Walpurgisnacht. Tausend rote Kautschukteufel tanzen auf den schwarzen Schieferdächern der geweihten Gebäude. Aber ich träume nur sinnlos vor mich hin. Ich fliege lieber Richtung Bonn. weiter und beende meine Mission. Die deutsche Luftabwehr funktioniert inzwischen nicht mehr. Das Jasmin-Chaos ist ausgebrochen. ONS. Oriental Nymphomaniac Syndrom. Mannstoll. Donjuanesk. Die Nachrichtensendungen bringen ständig Sondermeldungen über meinen Einsatz. Der Gipfel des Feldberges funkelt im Abendsonnenschein. Vorher hatte ich  längst einen tödlichen Schwenker nach Münsingen gemacht und meine nächste Jasminparfümbombe über der Schwäbischen Alb ausgeklinkt. Zwanzig Minuten später bin ich In Aschaffenburg. Puff und die Produktion der Wurstfabrik Rödl steht still. So schnell geht das also, wenn man will. Meine Mutter Anna liegt mit herausgespucktem Gebiss friedlich auf der Wiese des gepflegten Firmengartens, denkt an ihren Mann Hans und zählt die Wolken. Otto  und Arthur hetzen mit ihren blutbefleckten weißen Metzgerkitteln nach draußen und rasen mit dem Mercedes 600 auf der Transitautobahn nach Berlin, um mich zu besuchen. Bruderherz, wir rauchen zusammen die Friedenspfeife.  Die Familie Rödl flippt aus. Die Wurstfabrik Rödl gibt es nicht mehr. Die könnt ihr morgen aus dem Gewerberegister löschen. Kaut keinen bayerischen Presssack mehr. Mampft keinen fränkischen Aufschnitt zum Abendbrot. Ewiger Feierabend. Urlaub und Freibier für alle. Ruckzuck. Ratzfatz. Hallidalli. Ihr kriegt mich nie da oben. Freier als ein Pleitegeier. Über den Wolken muss die Freiheit wohl ewig sein. Dort löst man Geheimnisse in wenigen Sekunden, die sich unten auf der Erde in zehnjährigen Diskussionen nicht haben enträtseln lassen.  Aber jetzt bin ich unterwegs zur Kommandozentrale. Endlich geht es nicht mehr um die kleine Wurstfabrik „Hans Rödl und Söhne“. Jetzt geht es um die Wurst. Helmut und Kumpanen erwarten mich in Bonn. Ich wiederhole mit eigenen Worten. Zitiere aus dem Gedächtnis. Plaudere aus dem Nähkästchen. Hallo Rolf Dieter. Deutschland, ich liebe dich. Mit deinen ordentlichen Leuten hordenweise Sonntag Nachmittags in den immer gleichen Fußgängerzonen. Jedesmal Karstadt. Jedesmal Woolworth. Ob Hannover, Hamburg oder Heidelberg. Kiel oder Köln. Traunstein. Trier. Oberammergau am gemütlichen, im Morgennebel verhangenen Untertasee. Unterammergau am treuen Obertasee. Haha. Immer der gleiche Scheiß.  Sylt, Solingen, Siegen, Sigmaringen. Tote Hose hier. Schmink dir das ab. Die Bürgersteige werden um acht Uhr Abends hochgeklappt. Waldkirch, Weißenburg, Winsen an der Luhe. Nicht los hier. Snackt al Platt mit de lütten Kinner! Angelika ist weg. Lebt jetzt in Florida und liegt nackt am Swimmingpool. Keine einzige erogene Zone in der norddeutschen Tiefebene. Die ficken nur Samstag nach ihrer Tagesschau. Die können sogar die Menge des Samenergusses millilitergenau regulieren. Alles hinter verschlossenen Türen. Du verstehst die nicht. Sie verstehen dich nicht.  Funktioniert trotzdem wie ein Uhrwerk. Die Müllabfuhr ist pünktlich. Alles bestens organisiert. Rein in die Tonne  mit der matschigen Essenspampe von gestern Abend. Donner alles in die Tonne.  Ein geprüfter Mechanismus schluckt alles weg und runter. Deutsche Feinmechanik vom Allerfeinsten. Ein Wunderwerk von hineingeprügelter Ordnung, herausgebrüllter Disziplin und scharfer Zucht. Deutsche Pferde werden von deutschen Frauen geritten, deutsche Treue. Deutscher Wein, warm wie Pisse von deutschen Schäferhunden, deutscher Chorgesang. Sang- und klanglos. Spül dich doch den Schnapstrinker-Rhein runter. Ersauf in der schönen, blauen Donau. Sing ein seelenvolles deutsches Volkslied. Kein schöner Land in dieser Zeit. Deutsche Wertarbeit.  Die Renten werden pünktlich ausbezahlt. Den Rest kehren wir heimlich unter den Teppich. Vater Rhein bei Wiesbaden liegt majestätisch glänzend unter meinen mörderischen Röntgenaugen. Von Aschaffenburg bis Rüsselsheim, Wiesbaden, Mainz, Eltville in nur fünfeinhalb Minuten. Hinter mir die Bundesbank in Frankfurt , die im hochgradig infizierten Jasminduft unter sich zusammengekracht ist.  Die Inflation steigt auf dreihundert Prozent. Die deutsche Mark wird zur Makulatur, in rassisch einwandfreien Papierfabriken eingestampft und zu Altpapier weiterverarbeitet. Ökologie und Ökonomie arbeiten im Gleichschritt.  Bonn, ich komme. Dein goldenes Haar Margarete glänzt in der Abendsonne. Deine Lockenwickler aus Plastik, Sabine. Ich schenke euch Milliarden schneeweiße Jasminblütenblätter. Die schweben in der Luft. Leicht wie Flaum und Feder. Riecht den schweren, betörenden Jasminduft. Über den Wolken. Muss die Freiheit wohl unendlich sein. Punks gegen Yuppies. Null-Bock auf nichts. New Romantic. 7 Brücken stürzen in den Main und Rhein. Uwe Barschel tot im Hotel Beau Rivage in Genf. Bundestagspräsident Jenninger tritt zurück. Thomas Anders trifft Dieter Bohlen. Boris Becker greift Steffi Graf unter den viel zu kurzen Tennisrock. Die alte geile Sau. Toni Schuhmacher trinkt mit Gloria von Thurn und Taxis ein Bierchen. Frank Elstner macht schlüpfrige Witze über Patti LaBelle. Sunnyboy Thomas Gottschalk steckt uns alle mit seiner guten Laune an. Der verwettet noch sein bisschen Verstand im rauchgeschwängerten Hinterraum einer Hafenkneipe in Duisburg. Lothar Matthäus dreht durch. Bekommt den Rappel. Hat einen Dachschaden. Eine Meise.  Du hast doch einen Pieps. Du spinnst doch.  Peter Illmann liest die „Zeit“ von der ersten bis zur letzten Seite. Kann die jetzt auswendig. Stellt sich auf einen Stuhl und deklamiert vor dem sich versammelnden Publikum. Hans-Dietrich Genscher verkohlt Rita Süssmuth.  Ich lass mich doch von dir nicht vergenschern. Nogger dir doch selbst einen. Müller dir den doch rein, du Miesepeter. Satans Sonne scheint auf Ballonröcke. Ich krieg hier langsam, aber sicher einen Sonnenstich. Stulpen in Neonfarben. Fledermausärmel. Gerhard Polt trägt neuerdings eine Vokuhila-Frisur. Jeanshemden und Bundfaltenhosen stehen dem überhaupt nicht. Rate mal mit Rosenthal. Monaco Franze trinkt Kir Royal. Der trinkt wie ein Loch. Der ist sturzbetrunken. Mensch, nehmen Sie sich doch zusammen. Sie können sich doch nicht so gehen lassen. Sabbern Sie mich bloß nicht voll. Seien Sie hart, aber herzlich. Fies wie J.R. Ewing. Sonst enden Sie noch in der Schwarzwaldklinik oder auf dem Traumschiff. Horst Schimanski hat einen Colt für alle Fälle. Knallt den Denver-Clan in Dallas ab. Höchster Alarm auf meinem Radarschirm. Die französische Luftabwehr kommt über den Rhein geschwappt. Francois hilft Helmut aus der Patsche. Hand in Hand in Verdun, alte Kumpels, die sich abklatschen. Ein Schwarm von Mirage-Kampfflugzeugen im elektronischen Rückspiegel. Bloß weg von hier. Vater Rhein, wir kommen. Du stinkst wie die Pest nach Industrieabfällen und kannst meine Jasmin-Bombe gut gebrauchen. Rein in das obere Mittelrheintal. Rheinstein. Reichenstein. Rüdesheim. Pfalzgrafenstein.  Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich meine Locken so locker hin und her schüttle. Die Bundeshauptstadt erwartet mich. Bundestag und Bundesrat locken wie die Loreley-Felsen. Und ruhig fließt der Rhein unter mir.  Du weißt alles. Ich weiß nichts. Nix. Nüscht. Wisch mir über die Augen, um besser zu sehen. Philippsburg. Marksburg. Martinsburg.  Alte Burg. Marienburg. Links die Mosel, rechts die Lahn,  wir fliegen, fliegen, fliegen über die Autobahn. Engers, Sayn, Neuwied und Linz am Rhein, lasst die Firlefanzen sein. Raus aus Rheinland-Pfalz und rein nach Nordrhein-Westfalen. Ein Drache wacht über die Drachenburg. Ich erlöse das verwunschene Schloss von seinem jahrhundertealten Fluch. Ich bombardiere die deutsche Demokratie mit meinen duftenden Jasminbomben. Ich verbreite Partystimmung im Bonner Regierungsviertel. Eine Orgie in der Villa Hammerschmidt. 49 kleine Bundesräte ziehen Kokslinien, ach wie fein, ach wie fein. Die haben uns nichts mehr zu raten. Der Lange Eugen ist in sich implodiert und hat seinen feinen, weißen Asbeststaub über das Regierungsviertel gehaucht. Jasminblüten all over.  Alles riecht nach Jasmin. Deutschlands Kabinett ist das Klo runtergespült worden. In Deutschland herrscht Chaos. Die wissen nicht mehr, was sie machen sollen. Die laufen rum wie Hühner ohne Köpfe. Gackgackgack. Kikeriki. Der kapitalistische Staatsfeind wurde durch hoch konzentriertes Parfüm besiegt. Meine Mission ist erfüllt.  Die koordinierte kommunistische Kampfesstärke hat den dekadenten Kapitalismus  aus dem Weg geräumt. Schießt mich doch ab, ihr Faschistensäcke. Meine MIG zerschellt auf dem feindlichen Schlachtfeld. Mein Kätzchen Virginia rettet sich in letzter Sekunde aus dem rauchenden Wrack. Die Deutsche Demokratische Republik wird meinen Heldentod auf ewige Zeiten ehren. Karl- Eduard von Schnitzler deklamiert im Schwarzen Kanal ein eigens auf mich gedichtetes Staatsepos. In den Geschichtsbüchern des Arbeiter- und Bauernstaates steht der Name Edgar Rödl in fetten goldenen Lettern. In Karl-Marx-Stadt wird mein zwanzig Meter hoher Bronzekopf auf einen mit ukrainischem Granit verkleideten zehn Meter hohen Sockel gewuchtet. Mein Kopf wiegt hundert Tonnen. Ich bin ein geistiges Schwergewicht geworden. Kampfpilot Rödl, volle Kraft voraus. Ganz Deutschland ist auf ewige Zeiten kommunistisch.  Proletarier aller Welt, Jasmin, Liebe und Frieden haben gesiegt.  Friedrich Zimmermann war Mitglied der Partei.  Hans Dietrich Genscher war auch Mitglied der Partei  und machte über Westberlin in die Bundesrepublik Deutschland. Freude, Freude treibt die Räder. Helmut Kohl ging mit drei Schulkameraden im April 1945 zu Fuß von Berchtesgaden nach Ludwigshafen. Haben die sich keine Blasen an den Füßen geholt? Hans Engelhard bekam das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Weiß jemand warum? Freude sprudelt in Pokalen. Martin Bangemann ist ein Fettsack. Isst zu viele Schweinshaxen mit knuspriger Kruste. Ignaz Kiechle stellt die Mistgabel beiseite und wird Landwirtschaftsminister. Der Herz-Jesu-Marxist  Norbert Blüm ist eine rheinische Frohnatur. Manfred Wörner lacht viel weniger, tritt ins Jagdbombergeschwader 34 in Memmingen  ein und schafft es bis zum Oberstleutnant. Laßt den Schaum zum Himmel sprützen. Klaus Töpfer bekommt das Bundesverdienstkreuz am Bande. Christian Schwarz-Schilling  schreibt seine Doktorarbeit über die Beziehungen des Chinesischen Reichs zum Liao-Reich der Kitan, baut Autobatterien in Büdingen  und bekommt dafür den Orden vom Heiligen Schatz mit Stern und Schulterband.  Heinz Riesenhuber trägt immer Fliege, aber macht nie eine. Hans Klein kommt aus dem Sudetenland und kennt Ludwig Erhard. Wolfgang Schäuble wienert und bohnert den Boden des Kanzleramts blitzblank. Rettung von Tyrannenketten. George Bush schreit ins Telefon: All crazy as a loon. Dead as a doornail. Hoffnung auf den Sterbebetten. Das neue tausendjährige Reich des Kommunismus ist gekommen. Es wird bis zum 9. November des Jahres 2989 um 23.30 Uhr dauern. Das ist sicherer als das Amen in der Kirche. Ich grüße dich Generalsekretär Erich Honecker. Ich ehre dich, ZK-Sekretär Günther Mittag. Ich küsse dich, Minister für Staatssicherheit Erich Mielke. Auch die Toten sollen leben! Unser Arbeiter- und Bauernstaat wird auf ewig Bestand haben. Brüder trinkt und stimmet ein. Ansteckung über die Luft in wenigen Sekunden. Der Jasminduft dringt selbst durch die modernste Gasmaske. Minutenschneller Krankheitsverlauf bis zum Ausbruch. Liebestolle Hysterie. Schrei- und und Tränenkrämpfe. Wir reißen uns die Kleider von den Leibern. Alle lieben alle. Wirklich. Der Wolf das Lamm. Der Panther das Ziegenböckchen. Die Kuh den Bären. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter. Wirklich.

© Wolfgang Haberl 2017

Meine vielen Fragen an Marie Luise Fleißer

Sind Sie am 22. oder am 23. November 1901 geboren?

Welche Erinnerungen haben Sie an Alexander Weicker?

Wie viel Geld haben Sie 1926 beim Ullstein-Verlag verdient?

Welchen Charakter hatte ihr Mann Josef Haindl?

Haben Sie sich den Theaterskandal der „Pioniere in Ingolstadt“ erwartet? Warum haben Ihr Verlobter und Ihre Eltern nicht Partei für Sie ergriffen? Warum hat auch Bertolt Brecht damals mit Ihnen gebrochen?

Sie sprechen von einer einseitigen Liebe zu Bertolt Brecht und haben darüber sogar ein Buch geschrieben („Frühe Begegnung. Erinnerungen an Brecht“). Wer war Brecht für Sie? Waren Sie eifersüchtig auf die vielen Frauen, die ihn umgaben (Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, Carola Neher)?

Welche Erinnerungen haben Sie an Hellmut Draws-Tychsen?

Warum haben Sie für Ihr erstes Drama den seltsamen Titel „Der Tiefseefisch“ gewählt?

Wie war Ihre finanzielle Situation Anfang der dreißiger Jahre?

Sie sind Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre immer wieder aus Ingolstadt geflüchtet, aber regelmäßig dorthin zurückgekehrt. Die Provinzstadt Ingolstadt machte sie krank. In der Großstadt Berlin fanden Sie die nötige Freiheit und Kreativität, aber auch Lieblosigkeit und Härte. Was bedeutet Ingolstadt für Sie?

Welche Erinnerungen haben Sie an den Maler Georg Hetzelein?

Waren Sie ab 1933 in der „Inneren Emigration“ gegen die Nazis oder haben Sie sich ganz einfach mit dem Regime arrangiert? Was bedeutete das „partielle Schreibverbot“ der Nazis konkret für Sie? Warum haben Sie damals Deutschland nicht verlassen?

Wollten Sie 1956 kurz vor seinem Tod wirklich zu Bertolt Brecht nach Ostberlin ziehen?

Welche Erinnerungen haben Sie an Martin Sperr, Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz?

Wie gefällt Ihnen Walter Rüdels Film „Das bemerkenswerte Leben der Marieluise Fleißer“ aus Ingolstadt?

Warum haben Sie den Vorschlag von Günther Grass abgelehnt, Wahlwerbung für die SPD zu machen?

Warum haben Sie 1973 den Bayerischen Verdienstorden nicht abgelehnt?

Ihr Stil wird oft als „Neue Sachlichkeit“ und „Gestisches Sprechen“ bezeichnet. Können Sie mit solchen Kategorien etwas anfangen?

Stimmt es, dass Sie sehr langsam schreiben?

Ihre langen Phasen des Schweigens sind geradezu sprichwörtlich geworden. Woran schreiben Sie gerade?

© Wolfgang Haberl 2017

Meine profunden Kenntnisse der deutschen Gegenwartsliteratur nebst erschöpfenden Kommentaren zu ausgewählten Büchern und Autoren sauber alphabetisch aufgegliedert und übersichtlich dargestellt

9_11-literatur

Marica Budruzic, Oben bei den fernen Sternen, Mein Nimmerleinsort, nie gehört, Bernd Brodowsky, Milch, Stolz, Katzenzungen, hä?, Bernd Chillum, german writing, ist das ein Franzose? schreibt der auf Englisch? Kathrin Cotton, Fremdwörterbucheinträge, literarisches Fräuleinwunder, die hab ich doch mal im Januar 2013 auf einer Lesung in Neapel gesehen, der hab ich mein Buch über Marc Bolan geschenkt, Diethmar Duftmarke, Heute keine Simultankonferenz, nie gehört, Esther Diss, Wenn der Zeitungsträger zweimal klingelt, Erzählungen, nie gehört, Dirk Dobrowski, Die Frau des Richters Roman, welcher Richter? Kurt Druwert, Staatseigentum, Gedichte, nie gehört, Oswald Egge All that there is Gedichte lohnt sich das, den mal zu lesen? Hermann Fritz ist nicht Max Frisch, Es gibt keine Sünde im Süden der Seele Stücke, klingt doch gut, Goetz von Berlichingen, Mein blumiges Deutsch, wer ist das? Dieter Graf, Brummschädel, Vater + Sohn Gedichte, klingt irgendwie psychologisch, oje, Durs Grünspan, Klar wie Kloßbrühe, Gedichte irgendwo hab ich den Namen doch schon gehört! Gerhard Gstrain, Keiner, Erzählung, ist das ein Österreicher? Katharina Hackfleisch, Jerusalem, Eine Stadterzählung, Iris Hanuta, Musik für Flughäfen, hat sie das von Brian Eno abgekupfert? Hans Hansen-Jansen, Vergröberung der Details, Erzählungen, klingt irgendwie sehr norddeutsch, Ute Kolbenfresser, Abschiede und andere Liebesgedichte, Santa Köhler, Chinesisches Roulette, Gedichte, Ute-Christine Kruppstahl, In aller Munde, Roman, Ludwig Lehmboden, Der Augen Aufgang Gedichte, ganz witziger Titel, Mercedes Ländle, C-Klasse Unter Mardern, Andreas von Maier-Stulpenhoff, Wir, ist das ein Roman? Tom Meineid, Geldforschung, Bodo Morshäuser, Hauptsache Lichtenstein, irgendwo hab ich den Namen doch schon mal gehört! Josè G.E. Olivenhain, Mein Stier frisst eine Schwarzwälderkirschtorte, Gedichte, ist das gut? Alwin Osterhase, Herz Schmerz Versager, Gedichte, klingt ein bisschen arg romantisch, Doron Raznjici, Papirnik Stories, ist das was zum Essen? Woher kommt der überhaupt? Ilma Ragusa, Amore, Acht sizilianische Gesänge, Gesänge? Was soll das denn! Thomas Rosengarten, Die verkauften Wackersteine, ist der Jude? Ist das ein Prosatext oder ist das Lyrik? Rudolf Roth, Da drinnen vor dem Türspion, Roths gibt’s ja jede Menge, Joseph Roth, Philip Roth, Peter Roth, Ins Tal der langen Schatten, Ingolstädter Poetikvorlesungen vor versammeltem Audi-Vorstand, Silke Scheuermilch, Der Tag, an dem die Raben tirilierten, Gedichte, irgendwie sagt mir der Name was, Christoph Schlingensief, Mein Reich, der ist doch an Krebs gestorben und war ein Freund von Patti Smith, Lutz Strick, Geteert und Gefedert, Gedichte, nie gehört, wer soll das alles lesen? Jenny Treibel, In der Not schmeckt ein Gedicht auch ohne Brot, hä? Jamal Tusch, Bis ans bittere Ende, Roman, Ulrich Unnuetz, Das Sternbild versenkt Schiffe und Gedichte, der liebt wohl Wortspielchen, Franz Vennemann, Nahe Janislow, wo liegt das denn? Anne Weberknecht, Ich erfinde das Schießgewehr, ist das eine Erzählung? War das schon alles? Ist das jetzt schon zu Ende? Natürlich nicht. Nur eine Auswahl. Viele Jahre danach.

© Wolfgang Haberl 2017