Im Frühjahr 1985 erkrankte Joseph Beuys an einer schweren Lungenentzündung und verbrachte im September einen Genesungsaufenthalt auf der Insel Capri. Dort entstand die geniale Installation „Capri-Batterie“, die angesichts des Todes des Aktionskünstlers schon wenige Monate später, unweigerlich eine Testamentsaura bekam. Eine Zitrone ist durch einen Stecker an eine Glühbirne angeschlossen und täuscht den Fluss elektrischen Stroms vor, den der Pflanzenorganismus mittels Sonnenenergie (scheinbar) erzeugt und der (scheinbar) eine Glühbirne zum Leuchten bringt. Die beigelegte Gebrauchsanweisung „JOSEPH BEUYS. Capri-Batterie. Nach 1000 Stunden Batterie auswechseln“ unterstützt diese Illusion.
Was auf den ersten Blick wie die durchgeknallte Idee eines schrägen Happening-Künstlers aussieht, entpuppt sich in Wirklichkeit als extrem effektive subversive Botschaft sowohl politisch als auch kulturell (was Beuys sowieso nicht getrennt hätte). Mitte der achtziger Jahre war aktive Umweltpolitik noch Sache eines kleinen zerstrittenen Schärfleins in Deutschland. Schlagworte wie Erderwärmung, Klimaschutz, Umweltzerstörung, die Notwendigkeit, Öl, Gas und Kohle durch erneuerbare Energien zu ersetzen, welche heute (leider zu spät!) in aller Munde sind und inzwischen auch weltweit Mehrheitsmeinungen widerspiegeln, waren vor dreißig Jahren für den politischen Mainstream spöttisch belächelte, heillos übertriebene Katastrophenmeldungen einer Handvoll belämmerter Spinner. Heute wissen wir leider, dass diese Spinner nicht nur Joints rauchten, sondern recht hatten. Die Schäden an der Atmosphäre sind mittlerweile zu groß. Die Erderwärmung kann nicht mehr aufgehalten, sondern höchstens noch begrenzt werden.
Wogegen Joseph Beuys mit seiner politisch-kulturell motivierten Installation sicher auch anstinkt, ist der klassische, kulturbürgerliche Kulturbetrieb und seine gedankenlos übernommenen Traditionen des Guten und Schönen. Jahrhundertelang galt für betuchte, nordeuropäische, männliche Intellektuelle (Süd)-Italien als glückliches, rurales Arkadien, in dem die pinkeligen Adligen und das gehobene Bürgertum auf ihren Bildungsreisen die Wurzeln der europäischen Kultur aufschnuppern wollten. Ganz nebenbei lernte man auch fechten, knüpfte Verbindungen für die spätere Diplomatenkarriere und machte erotische Erfahrungen mit feurigen Italienerinnen. Der bekannteste Italienreisende einer solchen schnieken Grand Tour war natürlich Johann Wolfgang von Goethe. Und genau auf den hat es Joseph Beuys’ Multiple auch abgesehen. Beuys demontiert mit seiner extrem banalen, aber deshalb umso wirkungsvolleren „Capri-Batterie“ gnadenlos den unseligen Italienkultur-Hype, den der größte deutsche Schriftsteller mit seinem Mignon-Gedicht (Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn / Im dunklen Laub die Goldorangen glühn) losgetreten hatte.
Eines der 200 Exemplare des Multiple „Capri-Batterie“ kann im Berliner Hamburger Bahnhof, nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, besichtigt werden.