Im Jahre 2014 etwas über Karl Marx zu sagen ist ein schwieriges Unterfangen. Man fährt zwischen Skylla und Charybdis hindurch, denn entweder wird der Trierer Philosoph kritiklos als genialer Denker glorifiziert, wie es oft im Roten Jahrzehnt zwischen 1967 und 1977 passiert ist oder, genauso falsch, in den Mülleimer der Geschichte gepfeffert, was meistens nach dem Fall der Berliner Mauer und Zusammenbruch des Ostblocks der Fall war. Mit solchen extremen Einschätzungen wird man aber dem Begründer des Kommunismus nicht gerecht. Das hier besprochene Buch von Peter Stadler, das noch 1966 vor dem Roten Jahrzehnt erschienen ist, hat trotz des hohen Alters seine Aktualität nicht verloren und stellt eine solide und gut lesbare Plattform im Handbuchformat bereit, um sich der Philosophie von Karl Marx anzunähern und sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Karl Marx war trotz seines historischen Materialismus vor allem ein Idealist und hartnäckiger Träumer. Seine erträumte Diktatur des Proletariats war eine Utopie, wegen der er seine Arbeitsstellen, seinen deutschen Pass und sein Vaterland verlor. Krankheit, Armut, ein Leben im Exil, Anfeindungen, Verleumdungen und persönliche Schicksalsschläge bremsten seinen Elan nicht, auf tausenden von Seiten seinen wissenschaftlichen Sozialismus zu entwickeln und durch die Mitarbeit bei den ersten kommunistischen Organisationen und Parteien konkret in die Tat umzusetzen . Karl Marx hat etwas von Sigmund Freud und Charles Darwin. Alle drei waren mutige Pioniere und Begründer von geisteswissenschaftlichen Epochen, die die Welt verändert haben. Alles, was sich heute auf der ganzen Welt „links“ nennt, hat unweigerlich seinen Ursprung in den Gedanken von Karl Marx. Kein Sigmar Gabriel ohne Karl Marx. Doch Karl Marx war nicht nur ein Idealist, sondern auch ein Revolutionär. Er wollte konkret die kapitalistische Wirtschaftsordnung und die sie tragenden staatlichen Institutionen abschaffen und glaubte, dass das in kurzer Zeit möglich sei. Er gab den Arbeitern der Frühzeit der Industrialisierung ein Klassenbewusstsein und das geistige Konzept, sich von Unterdrückung und Ausbeutung zu befreien. Karl Marx verließ den Elfenbeinturm und das stille Kämmerlein der hehren Philosophie und ließ sich auf die mühselige politische Drecksarbeit im konkreten Alltag ein. „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern“. „Kömmt“ klingt doch gut, nicht wahr?
Peter Stadler: Karl Marx. Ideologie und Politik.
Zum Weiterlesen: Das Manifest der kommunistischen Partei als pdf-Datei.