Jörg Fauser: Rohstoff Elements

„Rohstoff Elements“ ist, wie der Titel schon andeutet, eine Zusammenstellung von Texten, die im Sog von Jörg Fausers Schlüsselroman Ende der 60er bis Anfang der 70er entstanden sind. In dieser Zeit zwischen ca. 1967 und 1973 lebte Fauser zwischen Istanbul, London, Berlin, Frankfurt und Göttingen, bevor dann 1974 mit dem Umzug nach München eine neue Lebensphase beginnt. Doch während der dann vom renommierten Ullstein-Verlag 1984 veröffentlichte Roman „Rohstoff“ von Fauser entscheidend umgeschrieben worden (Basis war der in Rohstoff „Stambul Blues“ genannte, in Wirklichkeit mit dem Namen „Tophane“ beim Maro-Verlag 1972 veröffentlichte Text, der eher ein wildes Prosa-Gedicht als ein Roman und in „Rohstoff Elements“ mitabgedruckt ist) und durch den zeitlichen Abstand, die ironische Brechung und einen linearen Schreibstil erst für ein größeres Lesepublikum zugänglich gemacht worden ist, sind die hier versammelten Texte kaum für ein längeres Lesen genießbares, ja genau „Rohmaterial“, dessen Qualität unbestreitbar ist, aber dessen experimenteller, sperriger Untergrund-Schreibstil jede Lektüre mit Befriedigung zum Scheitern verurteilt. Man merkt hier in jeder Zeile den Einfluss von Fausers damaligem großen Helden William Burroughs: alles kreist um Drogen, Hässlichkeit, Sex, Tod, ein poetisch protokollierter Daueralbtraum, Schreiben, um den „Cold Turkey“ zu überleben, Als es Fauser dann schafft, sich von der Heroinsucht zu befreien, schlittert er ab 1974 in den gesellschaftlich eher akzeptierten Alkoholismus. Fausers neuer Held wird folgerichtig Charles Bukowski.

In kleinen Dosen konsumiert, sind manche der hier kompilierten Texte ganz einfach wunderbar, zum Beispiel das Gedicht „Charlie und Harry“ oder der Text „Cut-Up Special“.

Charlie und Harry

Trüber Sommernachmittag in Fat City,

sie hockten auf Harrys Bude und kippten Bier,

irgendwo im Hinterhof stieg eine Teenager-Party

und die Beatles leierten einen ihrer total

schwachsinnigen Songs runter,

»Lucy in the sky with diamonds«

oder sonst einen abgedroschenen Heuler.

Son abgedroschener Heuler, sagte Charlie,

aber die Miniröcke sind wohl immer noch scharf darauf.

Stimmt, sagte Harry, macht einen ganz fickrig.

Sex Sex Sex, sagte Charlie und warf die leere Dose

in den Abfalleimer,

bei dir was los?

Sex, sagte Harry, was ist das?

Shit, sagte Charlie, ich fang wohl an kirre zu werden,

ich bin so heiß dass ich Löcher in die Matratze brenne,

lauf drei Wochen mit ’nem Steifen von hier bis Timbuktu

rum,

aber wenn ich endlich was zwischen den Fingern hab

wird mir einfach alles fad, fad –

irgendwie rentiert sich der Aufwand nicht,

man könnte genauso ’nen Emmentaler pimpern

wenn du weißt was ich meine –

klar, sagte Harry, Emmentaler

mit rotem Pfeffer oder Nudelwalker von hinten

und ’ne Stefan-George-Erstausgabe ums ritzy zu machen,

oder einfach fürn Heiermann ’ne Gastarbeiterin

in der Anlage hinterm lnterconti, und samstagabends

all die kleinen brühwarmen Homos die im ZDF

über die Mattscheibe spritzen, ist schließlich

alles ’n Loch, und alles leer, immer gewesen-

Shit, sagt Charlie, von hier aus kann man direkt rübersehn,

und sie standen am Fenster und glotzten rüber,

die Beatles heulten auf höchster Lautstärke,

die Teenager kreischten und ließen ihre Beinchen sehn,

die Schmeißfliegen legten Eier,

sie tranken ihr Bier,

dann ging Charlie zur Spätschicht

und Harry versprühte eine Ladung Flit.

(erstmals als „Harry Gelb Story“ im Maro-Verlag 1973)

**************************************************************************************

Cut-up-Special

die andere hand kriecht schon über den seichten arsch, poröse

zungen halbierte hüften und die plomben, plastikmösen

/ fuck da geht euch einer ab, nichts als quassel, endlose

tassen kaffee, endlose zigaretten, endlose tampons die’s klo

verstopfen ein bisschen ruhe, das der irre braucht ist erst

jenseits der wupper / shit, ich hatte nichts zu hause zu

spachteln oder zu schlucken, dachte, nicht für die literarischen

schwanzlutscher, aber wer will mit denen schon an

einem tisch sitzen? ich hing vorne am tresen als die finnin

hereinsegelte, ein graziles zweizentnerweib, wahnsinnig/

ungefähr 30, hübsches puppengesicht und jetzt sag was: gehen

wir zu mir! also wir hieften die treppen hoch auf meine

bude & sie stieg aus‘ m rock, ich riss ihr die bluse runter &

den büstenhalter fuck jolly djesus, was für titten, saugnäpfe,

diese weiße masse fleisch, sie kichert und wie’s so geht …

ich will sie gerade besteigen klingelt’s telefon: ich sag na wer

dran? hadayat ullah, ach, deine gedichte haben mir gut gefallen

sagt er ich bins. wenn sie auch sehr romantisch sind,

sagt er, sag ich fuck, deswegen rufst du an, ja, irgendwo drücken

sie doch hoffnung aus, nur die genitive stören, ich sag

willst du mich verarschen, nein ich find die haben so einen

expressionistischen touch. ich sag bist du wirklich bekloptt

oder was? ja weißt du, wir sind doch heute irgendwie wei-

ter, sensibilisierter also sag ich, hör zu, ich hab was besseres

zu tun als ’nen literatenabwasch zu machen, ich hab hier ’ne

heiße votze im bett, seit monaten nichts mehr zwischen den

fingern gehabt, hadayat, verstehste, nix als malochen, nachtwächter,

eierträger, mein freier tag, mein freier tag und übrigens

hör mal zu: du bist doch dichter, ich !es dir ’n gedieht

vor, jetzt passe mal auf: trinkst du binding-bier dann steht

er dir, trinkst du henninger, dann hängt er dir trinkst du

brauhaus dann ist’s ganz aus und ich habe heut morgen binding

gesoffen, verstehste, aber er hat natürlich schon eingehängt

. . . . .. das beste versäumen sie ja immer; die genitive,

die expressionisten, ausrangierte wracke, gar nicht angetörnt,

aber sensibel, spirituell, hoffnung … … mit dem fauser,

sagense, geht’s bergab …

(Reprint aus „Ulcus Molle“ 1974, ursprünglich nur auf Kassette The Austria Connection, POT 9/3, Linz)

Manelchen Kant nimmt mich an die Hand (2)

… und lässt sie gleich wieder los!

Das zweite Buch Ralf Ludwigs über den geistigen Überflieger aus Königsberg findet bei mir viel weniger Interesse. Es ist sicher genauso klar und verständlich geschrieben und Kants „Kategorischer Imperativ“ sollte man auch kennen. Nur dass ich diesmal bei der Lektüre keinen Draht zum Thema finde. Schon allein mit Kants „gutem Willen“ kann ich wenig anfangen und wahrscheinlich glaube ich noch nicht einmal an die Existenz des „guten Willens“ im Menschen. Kants Konzept und Hochschätzung der „Pflicht“ wird dann für mich und meine Generation zum roten Tuch. „Live fast, love hard and die young“ gefällt mir da schon erheblich besser. Oder „I am an anarchist“ von den „Sex Pistols“. Kants „Pflicht“ einem nur 15 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs geborenen Baby-Boomer zu empfehlen, klappt einfach nicht. Weniger „Pflicht“ wäre wahrscheinlich mehr gewesen für Kaiser Wilhelms Soldaten, die es sich begeistert in den Schützengräben bequem gemacht haben, bis die erste Granate neben ihnen explodierte, und noch mehr für Hitlers Wehrmacht und SS, die bei der Eroberung des Lebensraumes im Osten und in den Konzentrationslagern nur ihre „Pflicht“ taten. Hätten die lieber ihre „Pflicht“ nicht erfüllt! Natürlich hat Immanuel Kant keine Schuld an diesen Perversionen, aber leider hat spätestens der Nazi-Sprech so ein unschuldiges Wort wie „Pflicht“ verseucht und unbrauchbar gemacht.

Da stimmt also die Chemie nicht. Inkompatible Festplatte für meinen Computer. Mal abgesehen davon, dass ich stärkstens daran zweifle, ob Kants hochgestochene Moralansprüche bei Standardentscheidungen im Alltagsleben anwendbar sind.

Wenn selbst Friedrich Schiller Probleme mit Kant hat …

Gern dien ich den Freunden,
Doch tu ich es leider mit Neigung,
und so wurmt es mich oft,
daß ich nicht tugendhaft bin.

(„Xenien“)

oder

In der Kantischen Moralphilosophie ist die Idee der Pflicht mit einer Härte vorgetragen, die alle Grazien davon zurückschreckt und einen schwachen Verstand leicht versuchen könnte, auf dem Weg einer finstern und mönchischen Asketik die moralische Vollkommenheit zu suchen.
(„Über Anmut und Würde“ (1793))

… was sollen dann wir laszive, verweichlichte Nachgeborenen denken!

***************************************************************************************

Zum Nachlesen hier trotzdem die schöne Zusammenfassung Ludwigs des Kantschen Moralkonzepts:

Die Moralphilosophie Kants in vier langsamen Schritten.

Erster Schritt
Neben unserer sichtbaren Welt, in der die Gesetze der
Natur walten, gibt es noch eine Welt oder besser: einen
Bereich, der darüber hinausgeht und der sich mir nur
in Gedanken erschließt. Darin ist die Idee der Freiheit
zu Hause, eine Idee, die nicht bewiesen werden kann
und die nicht im Gegensatz zur Natur steht.
Gibt es in diesem Bereich auch eine Gesetzlichkeit,
ähnlich der in der Natur? Ja, denn wenn es schon Gesetze
im Bereich der Natur gibt, müßte es auch Gesetzmäßigkeiten
bei den Urteilen über die Frage der
Moral, welches Handeln richtig oder falsch ist, geben.

Zweiter Schritt
Dies zu beantworten ist Aufgabe der Vernunft. Die
Vernunft ist das Vermögen, den Bereich der Sinne und
der Natur zu übersteigen; nachdem sie diese Aufgabe
in der „Kritik der reinen Vernunft“ für die Erkenntnis
des Menschen in Angriff genommen hatte, bekommt
sie dieselbe Aufgabe für die Moral zugeteilt: den Willen
des Menschen zu bestimmen und damit die sinnliche
Natur des Menschen zu übersteigen. Dieses Feld
der Willensbestimmung darf die Vernunft nicht unserer
Erfahrung überlassen, deshalb hat sie sich zum
Programm gemacht, zur Bestimmung des moralisch
Guten die Willensbestimmung von sämtlichen Erfahrungen
und Neigungen radikal zu säubern.

Dritter Schritt
Die Vernunft kommt nun bei der Frage nach Gut und
Böse zu folgendem Ergebnis: Gut an sich ist nicht der
mögliche Gegenstand des Willens (Mut, Tapferkeit,
Glück . . .), sondern nur der gute Wille selbst, der einer
Handlung zu Grunde liegt. Gut ist eine Handlung
dann, wenn sie nicht pflichtmäßig ist (dies ist der Bereich
der Legalität), sondern wenn sie aus Pflicht geschieht
(dies ist der Bereich der Moralität). Ferner ist
eine Handlung dann gut, wenn sie aus Achtung für
das Sittengesetz erfolgt.

Vierter Schritt
Diesem Sittengesetz kann ich auf die Spur kommen,
wenn ich die Maxime meines Handelns einer bestimmten
Gesetzmäßigkeit unterziehe, die apriorisch
für alle Menschen allgemein und notwendig wie ein
Naturgesetz gilt. Die Formel dieser Gesetzmäßigkeit
aber ist der kategorische Imperativ. Dieser besagt:
Ich denke meine beabsichtigte Handlungsweise
versuchsweise als Vorschrift, die nicht nur für mich
und für heute gilt, sondern die als angenommenes Gesetz
für alle widerspruchsfrei gelten kann.
Der Grund dafür, dieses Gesetz für mich erlassen
zu können, liegt in der Selbstbestimmung des
Willens. Der Grund dafür aber liegt in der Freiheit.

Manelchen Kant nimmt mich an die Hand (1)

Muss man Kant lesen? Das ist zugegeben eine dumme Frage: natürlich nicht! Außer man belegt vielleicht einen Leistungskurs in Philosophie, hört Vorlesungen über ihn an der Universität oder man hat sonst wie professionell mit dem Supermind aus Königsberg zu tun. Interessanter ist da vielleicht schon die Frage: soll man Kant lesen? Meine Blitzantwort lautet: jein! Nein, weil man als Normalsterblicher (sprich philosophische Dumpfbacke) sich durch die vielen hundert Seiten der „Kritik der Reinen Vernunft“ nur mühsamst durchquälen und nur wenig verstehen würde. Kant gehört zweifellos in die Kategorie der sadistischen, frustverursachenden Schriftsteller: ihn zu lesen ist Lektürefolter, vielleicht nicht so schlimm wie bei Hegel, aber immer noch lupenreine Lesefolter, mentales Waterboarding. Nur Masochisten lassen sich freiwillig foltern. Kants Biografie weckt auch kein Interesse: immer nur Königsberg, nichts von der großen, weiten Welt gesehen, verbeamteter Philosophieprofessor in der Gnade oder Ungnade des preußischen Königs, die Königsberger stellen die Uhr nach seinem täglichen Nachmittagsspaziergang, hat der vielleicht einen an der Waffel? Aber Kant gehört andererseits zu etwas, was man früher einmal Allgemeinkultur genannt hat, die zu definieren niemand mehr in der Lage ist. Und dann ist Kant ja ein großer Revolutionär der Philosophiegeschichte, trotz seines extrem langweiligen Lebens. Mitten in der Aufklärung spricht er von den Grenzen der menschlichen Erkenntnis und sagt, dass das „Ding an sich“ nicht erkannt werden kann.

Was es für eine Bewandtnis mit den Gegenständen an sich und abgesondert von aller dieser Rezeptivität unserer Sinnlichkeit haben möge, bleibt uns gänzlich unbekannt.
(§ 8 Allgemeine Anmerkungen zur transzendentalen Ästhetik)

Unser Verstand formt die Sinneseindrücke nach Kants Schema der Kategorien zu Begriffen und ordnet sie in einem entsprechenden Raster von Urteilen. Die Erkenntnis richtet sich nicht nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände richten sich nach den möglichen Formen der Erkenntnis.

Genauso interessant sind Kants Überlegungen zu den Begriffen des nicht Erkennbaren, die er erst „transzendentale Ideen der reinen Vernunft“ und später einfach (angelehnt an Platon) „Ideen“ nennt. Die menschliche Vernunft stellt sich automatisch Fragen zu abstrakten Begriffen (Ideen), zu denen er genauso automatisch keine Antworten findet (Unsterblichkeit der Seele, Freiheit, Gott). Wenn die Grenzen der sinnlichen Erfahrung überschritten werden, entsteht das, was Kant „transzendentalen Schein“ nennt, sprich Illusion von Erkenntnis. Wir können von solchen Ideen wie Weltanfang, Weltende, Teilbarkeit des Ganzen, Willensfreiheit nie etwas wirklich wissen, weder, ob sie existieren, noch, ob sie nicht existieren.

Es sind Sophistikationen, nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst, von denen selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen, und vielleicht zwar nach vieler Bemühung den Irrtum verhüten, den Schein aber, der ihn unaufhörlich zwackt und äfft, niemals völlig loswerden kann.
(Der transzendentalen Dialektik /Zweites Buch/ Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft)

Zwackt und äfft? Solche transzendentalen Ideen sind also ein bisschen wie die Mücken und Wespen im Sommer, ungeliebte Gäste, die man gerne vertreiben möchte, die aber immer wieder zurückkommen. Speziell die Idee der Willensfreiheit sollte Kant weiterbeschäftigen. Auch wenn man nie wissen kann, ob es diese Willensfreiheit gibt oder nicht gibt, ist außer der Kausalität in der Natur auch eine Kausalität der Freiheit gegeben. Der Mensch hat einen „intellegiblen Charakter“, wie es Kant ausdrückt. Er erkennt die Notwendigkeit des „Solllens“, kann spontan entscheidend eine ethische Forderung wollen und realisieren und damit die Naturkausalität durchbrechen.

Ludwig, Ralf: Kant für Anfänger: Die Kritik der Reinen Vernunft“ (Eine Leseeinführung von Ralf Ludwig).

Ganz am Ende seines Buchs schreibt Ludwig eine Kurzzusammenfassung der „Kritik der Reinen Vernunft“:

Die Metaphysik fragt als Transzendental-Philosophie
nach den Bedingungen der Möglichkeit
von Erkenntnis. Zuerst wird die sinnliche
Wahrnehmung untersucht und dabei zwei Formen
reiner sinnlicher Anschauung gefunden:
Raum und Zeit. Mit ihnen werden alle Empfindungen
geordnet und anschließend vom
Verstand zu Begriffen geformt. Bei der anschließenden
Untersuchung des Denkens werden
die Kategorien gefunden. Sie verbinden die
Begriffe zu Urteilen und werden vom Verstand
wie Stempel in die sinnlichen Wahrnehmungen
hineingeprägt. Unser Verstandeswissen bleibt
aber mit allen diesen Möglichkeiten nur auf die
Welt der Erscheinungen beschränkt.
Will der Verstand, indem er sich zur schließenden
Vernunft entfaltet, unsere Welt der Erscheinungen
überfliegen und nach dem Wesen
der Wirklichkeit an sich greifen, verwickelt er
sich in Widersprüche und gerät ins Trudeln. So
muß er aufgeben und sich mit der Einsicht begnügen,
daß die Ideen als Zeichen des Absoluten
nicht bewiesen werden können, daß aber
auch nicht auf sie verzichtet werden kann.

BoBoKo (12)

Hans Haller steckt fest und hat schlechte Laune. Er erhält eine unorthographische Nachricht von Boboko, einem Rom aus Neapel. Hans Haller weiß nichts über Rom, Sinti und Zigeuner, gibt aber die Hoffnung nicht auf. Er antwortet auf die Mail und bekommt schnell eine Gegenantwort. Matt Scheibe weiß auch nichts über Zigeuner, kennt aber die drei Bios-Revisionen des IBM 5150 und schwadroniert über den Untergang der abendländischen Kultur.

Als Hans Haller nach Berlin zurückkommt, hat er es erst einmal mit einem leichten Landregen und einer mittleren depressiven Verstimmung zu tun. Rainy day, dream away. Mit seinen vier Besuchen in Neapel hat er seine Munition verschossen. Ideen, um die Mädchen zu finden, hat er keine mehr. Es hilft jetzt nur noch viel Glück und Spucke, die im wirklichen Leben leider noch weniger feuchtfröhlich fließen als hier im Roman. Vielleicht hätte er ja eine Kerze für Sankt Januarius im Dom von Neapel anzünden sollen. Als er im Bürocomputer seine Mails sichtet (zu mehr digitale Kompetenz reicht es bei ihm nicht), ist da auch eine mysteriöse Nachricht von einem gewissen Boboko: I’M BOBOKO.  WE NOW WERE THEY ARE. Alles in Großbuchstaben und Makkaroni-Englisch in die Tastatur geplärrt. Auch der Server macht Hoffnung auf mehr: boboko@infernonet.it. Boboko? Spuckt ein indonesisches Café in Nordamerika, irgendwelche bauchige Bambuskörbe und den Hinweis aus, dass Boboko ein gebräuchlicher männlicher Vorname unter den Rom-Sinti sei. Zigeuner in Neapel? Gipsies from Egypt? Gschwerl vom Mittelmeer, das keine Mittel mehr außer Lug und Trug hat. Schweher, althochdeutscher Schwiegervater mit Mundgeruch und die ganze bucklige Verwandtschaft. Übles Gesindel. Der Mensch ist gut, aber die Leut‘ san a Gschwerl. War das nicht ein Spruch von Karl Valentin? Hans Haller antwortet kurz und in professionellem Basic English: I will come to Naples next Sunday and I can meet you Monday.

Am nächsten Tag fährt Hans Haller nach Steglitz, wo sein alter Studienfreund Matt Scheibe einen Retro-Computer-Laden mit dem wenig originellen Namen „Classic Computers Berlin“ betreibt. In letzter Zeit hatten sie sich nur wenig gesehen, weil Hans immer weniger Lust auf die zwei sich ständig wiederholenden Argumente ihrer Unterhaltungen hatte: Was zum Teufel interessierten ihn die Varianten eines Xebec-Controllers, XT-IDE-Karten direkt aus Nordamerika oder WSUS-Scripts für antike Betriebssysteme?  Noch schlimmer als solche Schrullen war aber der pathetische Tonfall, den Matt mitunter annahm, wenn er über den Untergang der abendländischen Kultur schwadronierte. Keine guten Bücher mehr seit Jahrzehnten, Rolf-Dieter Brinkmann ruhe in Frieden, Marshall McLuhan hatte schon in den Sechzigern vorausgesehen, dass die Bilderkultur des Fernsehens die jahrtausendalte Schriftkultur des westlichen Kulturraums auslöschen würde.  Das klassische Erziehungsideal eines verantwortlichen, reifen, kompletten Individuums war schon seit der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr installierbar. Unbekanntes Dateisystem. Kein Zugang möglich. Fragen Sie Ihren Systemadministrator, ob die digitale Rechteverwaltung funktioniert. Und es wird alles nur noch schlimmer und kommt immer doller. Die Eisberge schmelzen, Wasserbomben lassen uns ersaufen, ein paar Jahrhunderte noch und die Hälfte aller uns bekannten noch lebenden Arten geht über den Jordan. Überall nur scheinheilige Absichtserklärungen und Lippenbekenntnisse. Venedig, spätestens 2100 tot wie Stein in den Orkus runtergespült. Amsterdam kannste dir in der Haschpfeife rauchen. Die piefigen Norddeutschen aus Hamburg und Sylt unter Geiern und Wasser. Von wegen Küstenschutzmaßnahmen und Erhöhung der Deiche.  Kennst du Byung-Chul Han? Ne, ne, nicht den durchgeknallten Kim Jong-un, sondern den Philosophen auf der anderen Seite der Demarkationslinie. Unsere oberflächliche visuelle Scheinkultur macht uns zu vereinzelten egoistischen Zombies, für die Solidarität und eine mit anderen geteilte Gemeinschaft nicht mehr möglich ist. Egomanische Nerds und Hikikomoris in abgedunkelten Räumen mit Klimaanlage vor riesigen 8k-Computerbildschirmen. Das war der Wortschwall, der über Hans hinwegrollte, als er im „Himali“ in der Crellestraße in seinem Mystic Salad herumstocherte. Also sprach nicht Zarathustra, sondern Matt Scheibe. Und er hörte nicht auf. Literatur stehe vor ihrer Selbstauflösung, weil sie ihre Bedeutung als Bildungsträger verloren habe. Hans nahm noch einen Schluck dunkle Schneider-Weiße und hatte die Nase und den Mund zu voll, um zu antworten. Sein Handy brummte und zuckte auf dem Esstisch. Es war eine Whats-App-Nachricht von Boboko:

I’M AGHEN BOBOKO. THEY KALL ME LITTLE WARRIOR. WE KAN MEET IN THE BAR APOCALISSE IN THE  PIAZZA INTERNAZIONALE.

Wieder in lauten Großbuchstaben. Langsam kommt Schwung in die Chose. Haller fällt das Horoskop ein, das er am Morgen auf dem Bildschirm im Bus gesehen hat. Mäusekino. Katzenjammer. Low Definition. Schlimmer kann‘s für den Wassermann nicht kommen. Fünf mögliche Punkte für Liebe, Arbeit und Gesundheit. Gesamtpunktzahl 15. Haller hatte jeweils nur einen einzigen. Gesamtpunktzahl 3. So war sein Leben immer gewesen. Ganz wenig oder gar nichts.

BoBoKo (11)

Keiner weiß so recht, warum die Camorra so heißt, wie sie heißt, und wieviel Geld sie verdient. Aber das macht ja nichts, denn auch ihre Ursprünge verlieren sich im Dunkel des italienischen Mittelalters. Nach der Lektüre des Kapitels ist man auch nicht schlauer als vorher.

Von einer kriminellen Organisation wie der Camorra erwartet man ja keine jährlichen Hauptversammlungen, spannenlangen Bilanzen und nudeldicke Finanzplanungen wie etwa bei der Deutschen Lufthansa AG, Aldi Nord oder der Merckle Unternehmensgruppe. Doch Pi mal Daumen macht die Camorra dieselben Umsätze im Jahr wie unsere ehrenwerten, börsenquotierten Firmen. Nur dass uns hier niemand möglichst bequem von Frankfurt nach Los Angeles schaukelt, wir uns keinen Sixpack Maternus-Pilsener zu € 1,69 in den Kofferraum stellen und im Gegensatz zu Babette Albrecht nicht verstehen, wie man bei diesen Preisen noch etwas verdient, und auch nicht Ludwig Merckle bereichern, wenn wir uns in der Apotheke Kestine Lingual Schmelztabletten gegen Heuschnupfen kaufen und brav unter dr Zunge zerschmelzen lassen. Nein, bei der Camorra gelten nicht die kapitalistischen Prinzipien von Risiko und Profit, sondern Schikane, Angst und Blutsbrüderschaft. Ein paar Zahlen: Für die Amis ist die Camorra die zweitgrößte kriminelle Organisation überhaupt (noch böser ist der russische Brother Circle) und macht Umsätze in der Größenordnung von 25 Milliarden Dollar pro Jahr. Schluck! Womit? Illegale Müllentsorgung, Fälschungen (Kleidung, Filme, Elektronik, Banknoten), Drogenhandel, Korruption bei der Vergabe von Bauaufträgen über öffentliche Ausschreibungen, Waffenhandel,

Schutzgelder und Wucherkredite, Prostitution. Heute kontrollieren Dutzende von Großfamilien der Camorra praktisch das gesamte Gebiet der italienischen Provinzen Neapel und Caserta. Was für einen Außenstehenden erst einmal seltsam ist, dass die inzwischen fast lückenlose Kenntnis dieser Sachlage nicht zwangsläufig auch früher oder später zu einer Reaktion der Staatsgewalt führt, deren Aufgabe es ja wäre, für Recht und Ordnung zu sorgen oder zumindest wiederherzustellen. Auch diese seltsame Schieflage hat, wie so oft historische Gründe. Unter den Bourbonen (in der Zeit zwischen dem Wiener Kongress und der Gründung des italienischen Königreichs) war die Camorra eine Art geduldete „Volkspolizei“ in den Diensten des spanischen Königshauses, das in den Gefängnissen, Glückspielhäusern, Bordellen und den heruntergekommenen und verrufenen Plebejervierteln Neapels autonom Schutzgelder eintrieb und sogar eine eigene Gerichtsbarkeit unterhielt. Aniello Ausiello di Porta Capuana. Woher der Name der Organisation kommt, interessiert eigentlich nur irgendwelche Studenten oder Professoren, die sich professionell mit dem Thema beschäftigen. Camorra? Die biblische Stadt der Sünde Gomorrha! Oder: Gamurra war möglicherweise im Hochmittelalter eine Gruppe sardischer Söldner in den Diensten der Seerepublik Pisa. Es gibt noch andere Erklärungsversuche, die allerdings am Ende wenig erklären. Um den Objektivitätsaposteln den Wind aus den Segeln zu nehmen, sei hier noch angemerkt, dass der Norden Italiens zwar keine endogenen kriminellen Strukturen hat, aber trotzdem nicht unbedingt sympathischer ins Waldhorn stößt. Die inzwischen regierungsbildende Lega (früher Lega Nord) wurde noch vor drei Jahren von einem schweren Finanzskandal wegen illegaler Parteienfinanzierung und anderer Vermögensdelikte gebeutelt, die inzwischen zu einer Verurteilung in erster Instanz und Kontosperrung geführt hat. Der Lack des angeblichen moralischen Vorsprungs gegenüber dem korrupten Süden blätterte immer mehr ab. Nach einem radikalen Führungswechsel säuberte Vizekanzler und Innenminister Matteo Salvini, der sich einer starken Affinität zu Matthias Strache und Sebastian Kurz rühmt und sich schon einmal mit einer Bomberjacke der Forza Nuova im Mailänder Fußballstadion sehen lässt, mit dem Eisenbesen den versifften Augiasstall der Politik auskehren will und seit Jahren der Big Boy der italienischen Politik ist. Unter anderem hat Salvini auch die Finanzen der Partei völlig neu geordnet. Zirka 45 Millionen Euro Parteivermögen hat er durch superkomplizierte, zwar legale, aber moralisch fragwürdige Finanztransaktionen vor dem Haifischmaul des italienischen Fiskus gerettet. Drei vife Steuerberater aus Bergamo legten ein für Außenstehende undurchschaubares System von Schachtelfirmen und Treuhändergesellschaften an, das seine Tentakel längst mit einem fetten Schmatz in der nahen Schweiz, aber auch im nicht gerade für seine Steuermoral bekannten Luxemburg aufgedrückt hat. Wir sind doch nicht blöd.

Böhmen liegt am Meer

Ingeborg Bachmann
Böhmen liegt am Meer

Sind hierorts Häuser grün, tret ich noch in ein Haus.
Sind hier die Brücken heil, geh ich auf gutem Grund.
Ist Liebesmüh in alle Zeit verloren, verlier ich sie hier gern.

Bin ich’s nicht, ist es einer, der ist so gut wie ich.

Grenzt hier ein Wort an mich, so laß ich’s grenzen.
Liegt Böhmen noch am Meer, glaub ich den Meeren wieder.
Und glaub ich noch ans Meer, so hoffe ich auf Land.

Bin ich’s, so ists ein jeder, der ist soviel wie ich.
Ich will nichts mehr für mich. Ich will zugrunde gehn.

Zugrund – das heißt zum Meer, dort find ich Böhmen wieder.
Zugrund gerichtet, wach ich ruhig auf.
Von Grund auf weiß ich jetzt, und ich bin unverloren.

Kommt her, ihr Böhmen alle, Seefahrer, Hafenhuren und
Schiffe unverankert. Wollt ihr nicht böhmisch sein, Illyrer, Veroneser,
und Venezianer alle. Spielt die Komödien, die lachen machen

Und die zum Weinen sind. Und irrt euch hundertmal,
wie ich mich irrte und Proben nie bestand,
doch hab ich sie bestanden, ein um das andre Mal.

Wie Böhmen sie bestand und eines schönen Tags
ans Meer begnadigt wurde und jetzt am Wasser liegt.

Ich grenz noch an ein Wort und an ein andres Land,
ich grenz, wie wenig auch, an alles immer mehr,

ein Böhme, ein Vagant, der nichts hat, den nichts hält,
begabt nur noch, vom Meer, das strittig ist, Land meiner Wahl zu sehen.

*********************************************************************************

Einige schnelle, unsystematische Gedanken.

Das Gedicht wurde Ende 1968 im „Kursbuch“ Hans-Magnus Enzensbergers veröffentlicht und gehört zu den 20 Gedichten, die Ingeborg Bachmann noch nach ihrem zweiten Gedichtband („Die Anrufung des Großen Bären“ (1956)) veröffentlicht hat. Das „literarische Fräuleinwunder“ verstummte oder verlegte sich aufs Schreiben von Prosa. „Schweigen ist die beste Poesie“ war offensichtlich ihr Motto geworden. Das war natürlich ein unauflöslicher Widerspruch.

Über Gedichte habe ich immer am wenigsten gesagt … Während ich sie geschrieben hab‘, habe ich nichts darüber zu sagen gewusst. Seit ich keine mehr schreibe, weiß ich überhaupt nichts mehr darüber zu sagen (Ingeborg Bachmann im Gespräch mit Otto Basil, 14. April 1971)

Das Gedicht „Böhmen liegt am Meer“ verwendet in 14 seiner insgesamt 24 Verse einen klassischen Alexandriner, in dem der Satz mit dem Vers endet. Der Alexandriner ist ein klassisches Versmaß des „hohen Stils“, der hauptsächlich im Barock verwendet wurde.

Du si̱ehst, wohi̱n du si̱ehst,  ‖  nur E̱itelke̱it auf E̱rden.

Was di̱eser he̱ute ba̱ut,  ‖  reißt je̱ner mo̱rgen e̱in,

Wo je̱tzt noch Stä̱dte ste̱hn,  ‖  wird e̱ine Wi̱ese se̱in,

Auf de̱r ein Schä̱ferski̱nd  ‖  wird spi̱elen mi̱t den He̱rden.

(Andrea Gryphius, „Es ist alles eitel“)

Möglicherweise gibt es da eine (ich glaube bisher noch nicht erwähnte) Verbindung zu Shakespeares „A Winters Tale“, wenn „Perdita (Die „Verlorene“) bei böhmischen Schäfern aufwächst.

Der Alexandriner hat eine Zäsur in der Mitte und stellt in seiner klassischen, reinen Form zwei Antithesen gegeneinander. Diese dialektische Struktur prägt das ganze Gedicht Bachmanns, auch und vor allem in seinem Inhalt. Die strenge Form des puren Alexandriners wird allerdings immer wieder, vor allem am Ende des Gedichts gesprengt und zu einem hymnischen, nicht mehr in Formfesseln gelegten Sprechen der Befreiung. Die Dialektik der Form (starres, klassisches Versmaß – ekstatischer Aufruf) entspricht dem Inhalt des Gedichts, das zwischen Ich-Auflösung und Rettung pendelt. Beeindruckend ist hier der Wortgebrauch Zugrund, auf gutem Grund (man erwartet eigentlich „aus gutem Grund“), zugrunde gehen, von Grund auf.  Die Bachmann verwendet hier Paul Celans Wort unverloren aus seiner berühmten Bremer Rede aus dem Jahre 1958, wo Celan ein poetisches Manifest verkündet, das genauso für Ingeborg Bachmann gelten könnte.

Erreichbar, nah und unverloren inmitten der Verluste blieb dies eine: die Sprache. Sie blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, angereichert von all dem. (Paul Celan, Bremer Rede, 1958)

Inhaltlich äußert sich diese dialektische Spannung im Gedicht schon allein und vor allem im Titel, der beim ersten Blick unverständlich bleibt. Wie soll ein Binnenland wie Böhmen am Meer liegen? Erst wenn man weiß, dass Bachmann in dieser Zeit der Trennung von Max Frisch und West-Berlin, in der sie zum vierhundertjährigen Geburtstag im Jahre 1964 Gedichte für Shakespeare schreiben sollte, viel Shakespeare gelesen hat, hellt sich das Dunkel des Titels auf. Denn Shakespeare hat in „The Winters Tale“ tatsächlich den fiktiven Ort „Bohemia“ erwähnt: Bohemia: a desert country near the sea. Hier sind dann schon alle Elemente für Bachmanns utopische Heimat in der Literatur: eine Mischung aus Österreich und Italien, den Hauptwohnorten ihres Lebens (Böhmen war bis 1918 Teil des Kaiserreichs Österreich-Ungarn; in Shakespeares „The Winters Tale“ lässt Leontes, König von Sizilien, Perdita, die vermeintlich ehebrecherische Tochter von Polixenes, König von Böhmen, an der böhmischen Küste aussetzen). In diesem utopischen Land der Literatur können alle leben: Seefahrer, Hafenhuren, unverankerte Schiffe, Illyrer (ein sagenhaftes Volk der Antike, das auf dem Balkan und in Südostitalien lebte, Barbaren für die Griechen), Veroneser, Venezianer, Vaganten (Bohemiens), die nichts haben und die nichts hält, wie die Klagenfurter Dichterin im Gedicht im Singular sagt.

Hier geht es also um Heimat, die eine heimatlose Ingeborg Bachmann im Navi sucht. Dass wir mit solchen Überlegungen auf der richtigen Fährte sind, beweist ein zweites der drei Gedichte, die 1968 im „Kursbuch“ veröffentlicht wurden.

Prag Jänner 64

Seit jener Nacht

gehe und spreche ich wieder,

böhmisch klingt es,

als wär ich wieder zuhause,

wo zwischen der Moldau, der Donau

und meinem Kindheitsfluß

alles einen Begriff von mir hat.

Gehen, schrittweis ist es wiedergekommen,

Sehen, angeblickt, habe ich wieder erlernt.

Gebückt noch, blinzelnd,

hing ich am Fenster,

sah die Schattenjahre,

in denen kein Stern

mir in den Mund hing,

sich über den Hügel entfernen.

Über den Hradschin

haben um sechs Uhr morgens

die Schneeschaufler aus der Tatra

mit ihren rissigen Pranken

die Scherben einer Eisdecke gekehrt.

Unter den berstenden Blöcken

meines, auch meines Flusses

kam das befreite Wasser hervor.

Zu hören bis zum Ural.

Auch hier, bei einer Winterreise ins verschneite Prag, ist wieder von wiedergefundener Heimat die Rede, speziell am Anfang des Gedichts. Von wiedergefundener Sprache, von Flüssen, von Österreich-Ungarn. Doch wie immer bei Ingeborg Bachmann bleiben Widersprüche und Ungereimtheiten, tut sich eine Kluft auf zwischen Verstand und Gefühl. Böhmisch klingt es, als wär ich wieder zuhause. Das klingt wie eine Befreiung vom geliebten, aber sprachlich fremden Italien und vom ungeliebten norddeutschen preußischen Berlin, doch vielleicht schwingt hier auch das Sprichwort von den „böhmischen Dörfern“ mit. Ist die ersehnte Heimat nur Lug, Trug und Spuk? Eine verfälschende Kindheitsnostalgie, die sich als unverständliche, tschechisch sprechende Fremde entpuppen wird?

Eine andere Verständnismöglichkeit des Gedichts hängt mit der politischen Situation der damaligen Tschechoslowakei zusammen. 1964 sprach man vom „Prager Frühling“, der Hoffnung machte auf einen „humanen Sozialismus“ bis zum Ural (sprich Moskau und Russland), eventuell auch im kapitalistischen Westen. Im Sommer 1968 endete diese Utopie mit dem Einmarsch von russischen Panzern. Übrig blieb dann nur noch die literarische Utopie Shakespeares, von der Bachmann aber möglicherweise auch nicht mehr wirklich überzeugt ist. Die letzte Zeile von „Böhmen liegt am Meer“ bleibt für immer mehrdeutig:

Begabt nur noch, vom Meer, das strittig ist, Land meiner Wahl zu sehen.

Der Vers ist so ungrammatikalisch und unverständlich, dass genügend Platz für immer neue Interpretationen bleibt.

Arthur Schopenhauer – Ganz ein Schlauer (2)

Ohne dass ich mich einen großen Schopenhauer-Experten schimpfen darf, sind auch für mich die zwei großen Quellen seines philosophischen Systems leicht auszumachen: Kant für seine Erkenntnistheorie (Vorstellung) und der Buddhismus für sein Konzept des „Dings an sich“ (Wille),

Der schwierige, langweilige und letztendlich unleserliche Immanuel Kant ist für Arthur Schopenhauer der vermutlich wichtigste seiner zahlreichen Lehrer und Einflüsse. Kant ist Anfang des 19. Jahrhunderts noch neu und viel diskutiert und hatte mit seiner transzendentalen Erkenntnistheorie den philosophischen Handschuh von innen nach außen gestülpt.  Nicht umsonst widmet Schopenhauer dem Königsberger intellektuellen Überflieger in seinem Hauptwerk einen fetten 150-seitigen Anhang, der fast ein eigenes Buch scheint. Hier nennt Schopenhauer die 3 Verdienste Kants:  den Unterschied zwischen Erscheinung (Vorstellung) und Ding an sich (Wille); die Bedeutung, die Kant der Ethik einräumt, sowie als dritte Leistung, die Trennung und Unabhängigkeit der philosophischen Erkenntnis von jeder Gängelei der Scholastik und herrschenden Landesreligion.

Wir erkennen die Dinge nicht, wie sie an sich sind, sondern nur, wie sie erscheinen. Dies ist des großen Kants große Lehre.

Schopenhauer ist also ein Kantianer und übernimmt seine Erkenntnistheorie, ändert sie aber kreativ ab (von Kants umständlichen 12 Kategorien bleibt bei Schopenhauer nur die Kausalität übrig) und ergänzt sie mit seiner Theorie des Dings an sich (Wille).

In der buddhistischen Philosophie (Veden, Upanishaden), mit der sich Schopenhauer vor 200 Jahren beschäftigte (!), findet er die Inspiration für das Fundament seines philosophischen Gebäudes, eine für den menschlichen Verstand nicht begreifbare Vitalkraft, die er „Wille“ nennt. Jenseits von Zeit und Raum, von Erscheinung und Vielheit (principium individuationis) versucht Schopenhauer mit diesem bahnbrechenden Konzept das Wesen der Welt zu beschreiben. Hier sind wir längst im Reich der Metaphysik, der Esoterik und Mystik, über das wir nichts wissen können und eigentlich schweigen müssen. Dass Schopenhauer genau diese Grauzone versucht hat zu beschreiben, ist wahrscheinlich sein größter Verdienst für die Philosophie- und Kulturgeschichte des Abendlandes. Dieser Enträtselungsversuch in den Abschnitten der „Die Welt als Wille und Vorstellung“, wo Schopenhauer über den „Willen“ spricht, gehört sicherlich zu den wichtigsten geistigen Errungenschaften der Moderne überhaupt.

Arthur Schopenhauer – Ganz ein Schlauer (1)

Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde

Dass ich Arthur Schopenhauer Mitte der 80er Jahre kennengelernt und die 4 Bücher der Diogenes-Taschenbuchausgabe der ersten und zweiten Fassung der „Welt als Wille und Vorstellung“ damals regelrecht verschlungen habe, darüber habe ich schon an verschiedenen Stellen geschrieben. Seine Lektüre war damals für mich eine buchstäbliche Erleuchtung, hatte ich mir doch die Jahre zuvor immer wieder meinen unphilosophischen Kopf blutig geschlagen beim für mich frustrierenden Lesen von Philosophen wie Hegel, Kant, Leibniz, der Frankfurter Schule etc. Einmal Schopenhauerianer, immer Schopenhauerianer. Ob und wie seine Philosophie inzwischen für die Superexperten überholt sein mag, spielt dabei keine Rolle.

Nach fast 40 Jahren war nun vielleicht die Zeit gekommen, meine Verehrung für Arthur Schopenhauer nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Sagt er doch selbst in der Vorrede zur ersten Auflage, dass sein Buch mindestens zweimal zu lesen sei.  War er immer noch flüssig und genussvoll zu lesen? Waren seine Einsichten immer noch nachvollziehbar für mich? Gefiel mir seine Polemik vor allem gegen seinen Todfeind Hegel immer noch?

In derselben Vorrede zur 1. Auflage der „Welt als Wille und Vorstellung“ empfiehlt Schopenhauer als Propädeutikum zumindest zwei eigene Bücher: „Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ (welch ein Titel!) sowie die Kritik der kantianischen Philosophie im Anhang der 1. Auflage seines Hauptwerkes. Folgen wir also den Anweisungen des Meisters.

Die Dissertation „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ hatte Schopenhauer schon 1813 veröffentlicht und dann 1847 in einer zweiten Auflage nochmals überarbeitet (in der vom „Felix Meiner Verlag“ veröffentlichten Aufgabe werden die beiden Versionen gegenübergestellt und sind auch die häufigen fremdsprachlichen Zitate ins Deutsche übersetzt). Es ist schon erstaunlich, mit wieviel Selbstbewusstsein ein gerade mal 25-jähriger Schopenhauer Immanuel Kant auseinanderpflückt und die komplette Philosophiegeschichte Revue passieren lässt, um zu schweigen von den unglaublichen Fremdsprachenkenntnissen im Altgriechischen, Latein, Spanisch, Italienisch, Englisch etc. Die manchmal sehr langen altgriechischen Zitate (die das Verständnis eher erschweren als erleichtern) werden von ihm „zum besseren Verständnis“ dann ins Lateinische übersetzt! Heidewitzka, Herr Kapitän! Da fehlt uns allen inzwischen der Werkzeugkasten. Eine ähnliche Einschätzung gilt dann auch für sein wenig später 1819 erschienenes Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ mit gerade einmal 31 Lebensjahren.  Da war wirklich ein frühreifes Genie mit gesundem Selbstbewusstsein am Werkeln, ähnlich vielleicht wie (ein vergleichsweise kranker) Friedrich Nietzsche nach ihm. Was bei der Lektüre Schopenhauers speziell auffällt jenseits von inhaltlichen Thematiken, die zu diskutieren mich hier weniger interessieren und die man tausendfach überall nachlesen kann, ist ihre seltsame Mischung aus einem schwurbeligen, altertümelnden Schreibstil der Goethe-Zeit mit ihren endlosen Perioden einerseits und, andererseits, einer überall durchblitzenden erstaunlichen Modernität nebst frecher Polemik gegen die verachtete Professorenphilosophenzunft, die nur aus leeren Windbeuteln und geistlosen Scharlatanen bestehe, während er selbst, einsam, stolz und redlich, die Fahne der Wahrheit gegen den Wind halte.

Schopenhauer war seiner Zeit 50 Jahre voraus und hat dieses biographische Drama der Nicht-Beachtung und Nicht-Berufung auf einen gut besoldeten Universitätsposten immer wieder sarkastisch kommentiert. Er wird somit auch ein weniger tragischer, moderner Giordano Bruno, ein Kämpfer für Ehrlichkeit und Wahrheit, gegen Intrigen, Filz, Opportunismus, Rückständigkeit. Aufgepasst: politisch war Schopenhauer konservativ bis reaktionär, belferte gegen die Revolution von 1848 und hinterließ sein Vermögen den Geschädigten dieser Revolution.

Die Dissertation selbst baut auf altbekannten und damals noch viel diskutierten Theorien des menschlichen Erkenntnisvermögens auf, die bis auf die altgriechische Philosophietradition zurückreichen, aber bei Schopenhauer vor allem Kants Erkenntnistheorie zur Grundlage haben. Der Satz vom zureichenden Grunde des Werdens analysiert den Verstand, der auf der Grundlage von Zeit, Raum und Kausalität Veränderungen an der Materie feststellt. Diese intuitiven Erkenntnisse sind für Schopenhauer die ursprünglichsten und wichtigsten, auf denen alle weiteren Erkenntnisse aufbauen. Für diesen ersten und wichtigsten Satz verwendet Schopenhauer dann auch immerhin 80 von den insgesamt 200 Seiten des Buches.

Den zweiten Erkenntnisgrund nennt Schopenhauer Vernunft, die auf dem Satz vom zureichenden Grund des Erkennens beruht. Das Reich der Begriffe, Abstraktionen, Vorstellungen von Vorstellungen, wie sie Schopenhauer etwas verächtlich nennt. Dieses fünfte Kapitel hat gerade einmal 20 Seiten. Die beiden ersten Sätze scheinen mir philosophischen Laien noch relativ einleuchtend, sieht man von den immer wieder eingestreuten, zum Teil viel zu langen und ermüdend zu lesenden fremdsprachlichen Zitaten aus der Philosophiegeschichte und Weltliteratur ab. Schopenhauer hatte eine Allgemeinbildung, die in unseren heutigen flüssigen, vom Internet beherrschten Gesellschaften gar nicht mehr möglich ist.

Etwas schwerer tue ich mich bei den beiden letzten Sätzen (vom zureichenden Grunde). Den Satz vom Grunde des Seins und schließlich den Satz vom Grunde des Wollens. Beiden Sätzen widmet Schopenhauer vielleicht nicht ohne Grund gerade einmal jeweils 10 Seiten. Der Satz vom Grunde des Seins (reine Sinnlichkeit) ist für mich nur schwer zu trennen vom allerersten Satz vom Grunde des Werdens. Da dieser dritte Satz hauptsächlich im Reich der Arithmetik und Geometrie Anwendung findet und ich hier schnell Verständnisschwächen offenbaren muss, liegt mein Unverständnis möglicherweise an fehlender mathematischer Disposition. Schopenhauers Beispiele überzeugen meinen wenig philosophiebegabten Hirnkasten deshalb nicht recht.

Der Satz vom Grunde des Handelns (Selbstbewusstsein) holpert für mich sogar noch ärger die Zeilen entlang, denn hier wird es wirklich kompliziert. Das Ich teilt sich auf in ein erkennendes Ich (Ich erkenne) und ein wollendes Ich (Ich will). Das Subjekt des Wollens wird für das erkennende Subjekt ein Objekt. Hm, hm. Schopenhauer selbst nennt im § 42 diese doppelte Identität einen „Weltknoten“ und deshalb unerklärlich. Trösten wir uns damit, dass Schopenhauer selbst an seinen dunkelsten Stellen immer noch viel sympathischer und überzeugender ist als etwa Martin Heidegger:

Das Spiegel-Spiel der weltenden Welt entringt als das Gering des Ringes die einigen Vier in das eigene Fügsame, das Ringe ihres Werdens. Aus dem Spiegel-Spiel des Gerings des Rings ereignet sich das Dingen des Dinges.

Da lese ich dann doch lieber Arthur Schopenhauer.

Heinrich Böll

Besprechung von Ralf Schnells Biografie „Heinrich Böll und die Deutschen“

Heinrich Böll war ja in meiner Jugendzeit noch einer der Star- und Bestsellerautoren. Jeder von ihm ab den 60ern veröffentlichte Roman war ein Ereignis und monatelang in aller Munde. Heute ist es vergleichsweise ruhig um ihn geworden. Manche sagen sogar, dass der Nobelpreisträger zu den vergessenen Autoren gehört. „Sic transit gloria mundi“ könnte man jetzt zynisch kommentieren, doch das Wegschwenken des Scheinwerferlichts auf Heinrich Böll hat auch ganz handfeste und spezifische Ursachen.

Einmal hängt das mit seinem doch eher biederen und konservativen Schreibstil zusammen. Gute deutsche sprachliche Hausmannskost. Nichts für den verwöhnten Gaumen. Die fehlende Brisanz und Originalität seiner Sprache motiviert nicht dazu, einen seiner vielen alten Bestsellerromane nach Jahrzehnten ein weiteres Mal zu lesen. Lieber ein Nickerchen mit dem Hund hinter dem Ofen.

Auch die ehemals brisanten Themen Bölls brennen heute nicht mehr unter den Nägeln und müssen mühsam mitsamt ihren Inhalten rekonstruiert werden. Ob es das Losledern gegen die neue Bonner Republik und Konrad Adenauer ist, die Bild-Zeitung mit ihrer diffamierenden Berichterstattung, die Institution Kirche oder die Zensur in der DDR, das Engagement für Willy Brandt zuerst und für die neu gegründete Partei der „Grünen“ am Ende seines Lebens – ohne den entsprechenden Kontext zu kennen, sind seine fiktiven Texte voll Zeitgeschichte, aber auch seine Essays und Artikel, heute nur noch mit viel Mühe lesbar. Das vielleicht eklatanteste Beispiel bleibt der Skandal um seinen Artikel „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ vom Januar 1971 sowie die fiktive Verarbeitung derselben Problematik in seinem Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1974). Vor allem der längere, für den „Spiegel“ geschriebene Essay hat es in sich und Böll für alle Zeiten den Ruf eines Terroristensympathisanten eingebrockt. Der von Sarkasmus nur so triefende und deshalb mit Vorsicht zu genießende Artikel erinnert im Tonfall etwas an die legendären Flugblätter der Kommune 1. Man muss ihn mehrmals lesen, um sicher zu sein, dass man die subtilen Ironieebenen und Wortspielchen richtig einordnet. Schon allein der Ausdruck „Freies Geleit“ ist ohne Zusatzwissen unverständlich, stammt er doch aus der mittelalterlichen Rechtsprechung und bedeutet letztendlich das Recht auf einen fairen Prozess. Böll argumentiert gegen die Schwarz-Weiß-Lynchjustiz der Bild-Zeitung, die aus Ulrike Meinhof eine vogelfreie Satansbraut machen wollte, er plädiert für eine vorurteilsfreie Analyse der Beweggründe und am Ende eben für das angesprochene Anrecht auf Verteidigung in einem Gerichtsprozess. In der aufgeheizten politischen Atmosphäre der 70er war es für viele Deutsche einfacher, Böll einer Verharmlosung des Terrorismus und modischen Sympathiebekundung für die RAF anzuklagen.

Möglicherweise erinnert man sich deshalb heute an Heinrich Böll mehr wegen seines politischen Engagements als wegen seiner schriftstellerischen Potenz.

Bertolt Brecht

Bertolt Brecht ist mir natürlich kein Unbekannter, viele wichtige Theaterstücke, Prosatexte und auch Lyrik habe ich im Laufe der Jahrzehnte gelesen (und wieder vergessen!), aber ein Brecht-Kenner bin ich sicherlich nicht.

Bei der Lektüre von Jan Knopfs knapper Basisbibliographie hatte ich deshalb vieles schon einmal irgendwo anders gelesen oder gehört.  Was ich aber nicht wusste und deshalb interessant fand, war zum Beispiel, dass Brecht nach Ende des 2. Weltkrieges überhaupt nicht schnurstracks und von Funksignalen aus Moskau gesteuert nach Ostberlin wollte, sondern eher über Umwege dort ankam. In der neuen Bonner BRD wollte Adenauer den Skandalkommunisten nicht, im erzkonservativen Salzburg gab es sogar eine regelrechte Revolte gegen ihn und den damaligen Direktor der Salzburger Festspiele Einem, der Brecht gern als Intendant gehabt hätte.  Auch das oft kritisierte Lavieren Brechts mit der politischen Führung der neu gegründeten DDR hatte Hintergründe, die ich nicht kannte. Ulbricht traute Brecht nicht über den Weg und setzte den Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ Wilhelm Girnus als Spitzel an. Brecht war wohl auch in seiner letzten Lebenszeit ernstlich am Überlegen, seinen Wohnsitz in die Schweiz zu verlegen. Die zahlreichen Hasskampagnen in Westdeutschland hatten auch seiner Gesundheit stark zugesetzt. Als witziges biographisches Detail sei hier angemerkt, dass der Bayer Bertolt Brecht ein Jahr vor seinem Tod monatlich 100 Flaschen Bier aus München importieren ließ (immerhin anderthalb Liter am Tag!), um seine Gesundheit und Schaffenskraft zu erhalten. Prosit!

Als ich vielleicht 1975 noch Ministrant in der Sankt-Joseph-Kirche in Ingolstadt war, kann ich mich eine verlogene Sonntagspredigt erinnern, in welcher der Priester gegen den Nihilismus in Brechts Gedicht „Vom ertrunkenen Mädchen“ wetterte. Die selbstgerechte Hasstirade hat in meinem verhagelten Wirrkopf genau das Gegenteil dessen bewirkt, was der katholische Würdenträger beabsichtigte.