
Seit meinem letzten Beitrag hier, sind ja viele Monate ins Land gegangen. Woran liegt’s? An den schlechten Zeiten allemal, Ukrainekrieg, Wirtschaftskrise, Inflation, der Neo-Fascho Gennaro Sangiuliano italienischer Kulturminister, pipapo. Gründe, sich wohlzufühlen, gibt es wenige. Und Ideen und Kreativität noch weniger, befürchte ich. Die guten Bücher sind eh schon alle geschrieben worden. Neue Bücher werden zwar jedes Jahr mehr geschrieben, aber lesen tut die eh keiner mehr. Bücher scheinen langsam so altmodisch wie Schelllackplatten. Und dass ein fundamentaler Umbruch unserer westlichen Kulturen im Gange ist, kann auch kaum mehr bezweifelt werden. Das Buch als Hauptkulturträger wird immer unwichtiger und durch andere nicht-schriftliche Inhalte ersetzt werden. Das wusste schon Marshall McLuhan und das Papperl der Originalität wird mir bei diesen Sätzen kaum jemand auf die hehre Dichter-und-Denker-Stirn kleben.
Etliche Bücher habe ich begonnen zu lesen und dann die Lektüre abgebrochen. Die neue Dylan-Biografie von Dennis McDougal ist für mich geplagten deutschen Muttersprachler mühsam zu lesen und eben erwähnter Mühe auch kaum wert, weil die Neuigkeiten fehlen. Marco Travaglios „Scemi di Guerra“ ist leider letztendlich ein lupenreines kommerzielles Produkt, um mit den Kriegsgegnern Kasse zu machen. Die ersten 90 Seiten „Einleitung“ sind interessant (wer des Italienischen mächtig ist), aber dann folgt ein 360-Seiten-langes langweiliges Kriegstagebuch, das Travaglio wahrscheinlich noch nicht einmal selbst geschrieben hat, sondern von seinem Staff kompilieren lassen hat. Das Tagebuch „endet“ am 2. Februar, der Ukraine-Krieg allerdings nicht. Wahrscheinlich kommt dann im Frühjahr 2024 ein ebenfalls kommerziell erfolgreicher Folgeband mit weiteren 500 Seiten Kriegstagebuch, die keine Sau liest, die man sich aber schön für den Besucher sichtbar ins Regal stellen kann. In der Not schmeckt nicht nur die Wurst ohne Brot, sondern greift man gern auf Klassiker zurück, in meinem Fall Ingeborg Bachmanns „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar (Essays, Reden, Kleinere Schriften)“. Das Buch hatte ich vor vielen Jahren schon einmal gelesen, aber diesmal habe ich es nicht geschafft, mich wieder mit der Bachmannschen Gemütslage kurzzuschließen. Zu langweilig, zu schwierig, zu wenig brisant. Ich versuche es jetzt mal mit dem kleinen Büchlein „Das Rom der Ingeborg Bachmann“. Sehr sympathisch ist schon einmal vor der Lektüre, dass das Buch nur 50 Seiten hat. In unseren heutigen Zeiten erscheinen lange Bücher eigentlich nur noch obszön.
Und das Schreiben? Das sieht es genauso miserabel aus, wahrscheinlich sogar noch miserabler. Erste (Schnaps)-Idee: meine Biografie über Bob Dylan aus dem Jahre 2011 zu aktualisieren. Das mag auch etwas für sich haben, immerhin sind inzwischen auch schon wieder 12 Jahre vergangen und sich mit Bob Dylan zu beschäftigen, ist eigentlich immer sinnvoll, aber Bücher über ihn gibt es inzwischen wie Sand am Meer, und die Motivation, mein Buch (das sicherlich viele Jugendsünden hat) zu überarbeiten, mag so ein Werk auch qualitativ verbessern und aktualisieren … aber nein: das ist „damals“ so geschrieben worden, und das ist auch auch „gut“ so, wie es damals geschrieben worden ist. Zweite (Schnaps)-Idee: ein Buch über kuriose und skurrile Alltagsbegebenheiten. „Tage im Leben“ hätte es heißen können und über so „wichtige“ Nachrichten geschrieben wie zum Beispiel, dass Männer ein aufgespießtes Tier durch die Innenstadt Neunkirchens tragen. Ja? Nein, lieber nicht. Vor ein paar Wochen ist mir eine neue Idee gekommen, die hoffentlich diesmal keine Schnapsidee ist. Ich hab unten im Keller noch einen alten Jahresbericht meines Abiturjahrgangs 1979 am Reuchlin.Gymnasium in Ingolstadt stehen. Da könnte man so 20, 25 Geschichten erzählen (wahr oder wild erfunden), wie man sich das Leben dieser Personen vorstellt. „Klassenfeinde“ könnte ich das Buch nennen. Mal sehen.
