Das Rom der Ingeborg Bachmann

Dem großen Kanon der Bachmann-Literatur Neues hinzuzufügen, ist wahrscheinlich vergebliche Liebesmüh. Zuviel ist über die größte deutschsprachige Dichterin des 20. Jahrhunderts geschrieben worden. Man findet auch im Netz hervorragende Interpretationen zum Beispiel zu „Böhmen liegt am Meer“, wo man wieder einmal sieht, dass bei dieser alten Garde von Wortschmieden jede einzelne Silbe wichtig war und sitzt. Um Frustrationen und Langeweile zu vermeiden, muss also ein neuer Ansatz her. Den versucht zum Beispiel das Büchlein von Fußl/Larcati „Das Rom der Ingeborg Bachmann“, in dem die verschiedenen römischen Wohnungen der Klagenfurter Poetin zusammen mit biographischen Notizen beschrieben werden. Authentisch und direkt. Einen Ansatz, den auch das österreichische Kulturinstitut im Web versucht hat und den man leicht mit einer Google-Suche findet. Bachmann liebte ja Rom (auch wenn sie ein nostalgisches Wien und Österreich nie aus ihrem Kopf bekam), sprach perfekt Italienisch, kannte die römische und italienische Geschichte bestens und hatte intensiven Kontakt zum römischen Kulturleben und italienischen Intellektuellen.

Ganz im Gegensatz zu Rolf-Dieter Brinkmann, der „zufällig“ ein Jahr in der „Villa Massimo“ als Stipendiat verbrachte und dort „Rom Blicke“ schrieb, ein wichtiges Buch, das aber wohl niemand von vorne bis hinten gelesen hat. Brinkmann liebte Nordeuropa, sprach kein Wort Italienisch und war auch an der römischen Geschichte nicht interessiert, die für ihn nur eine eklige Geschichte der römischen Kirche und überhaupt der perversen Machtambitionen der westlichen Welt war. Ein Buch gegen „caput mundi“ Rom und die westliche Welt, ein Buch gegen Goethe (wie er das römische Goethe-Institut als Träger der offiziellen Kultur hasste!), „Rom Blicke“ eine neue Anti-„Italienische Reise“, gegen das Bildungsbürgertum und gegen den wichtigsten Dichter der deutschen Literatur. Mit einem völlig neuen Schreibansatz, der Techniken des Avantgarde-Kinos der 60er-Jahre benutzt und geschichts- und emotionslos, wie eine Filmkamera lediglich die Realität beschreiben will. Was gerade in einer Stadt wie Rom schnell zur sinnlosen Pose wird und nicht klappen kann.

Um Rom zu verstehen, muss man auch seine Geschichte kennen.

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