
Bertolt Brecht ist mir natürlich kein Unbekannter, viele wichtige Theaterstücke, Prosatexte und auch Lyrik habe ich im Laufe der Jahrzehnte gelesen (und wieder vergessen!), aber ein Brecht-Kenner bin ich sicherlich nicht.
Bei der Lektüre von Jan Knopfs knapper Basisbibliographie hatte ich deshalb vieles schon einmal irgendwo anders gelesen oder gehört. Was ich aber nicht wusste und deshalb interessant fand, war zum Beispiel, dass Brecht nach Ende des 2. Weltkrieges überhaupt nicht schnurstracks und von Funksignalen aus Moskau gesteuert nach Ostberlin wollte, sondern eher über Umwege dort ankam. In der neuen Bonner BRD wollte Adenauer den Skandalkommunisten nicht, im erzkonservativen Salzburg gab es sogar eine regelrechte Revolte gegen ihn und den damaligen Direktor der Salzburger Festspiele Einem, der Brecht gern als Intendant gehabt hätte. Auch das oft kritisierte Lavieren Brechts mit der politischen Führung der neu gegründeten DDR hatte Hintergründe, die ich nicht kannte. Ulbricht traute Brecht nicht über den Weg und setzte den Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ Wilhelm Girnus als Spitzel an. Brecht war wohl auch in seiner letzten Lebenszeit ernstlich am Überlegen, seinen Wohnsitz in die Schweiz zu verlegen. Die zahlreichen Hasskampagnen in Westdeutschland hatten auch seiner Gesundheit stark zugesetzt. Als witziges biographisches Detail sei hier angemerkt, dass der Bayer Bertolt Brecht ein Jahr vor seinem Tod monatlich 100 Flaschen Bier aus München importieren ließ (immerhin anderthalb Liter am Tag!), um seine Gesundheit und Schaffenskraft zu erhalten. Prosit!
Als ich vielleicht 1975 noch Ministrant in der Sankt-Joseph-Kirche in Ingolstadt war, kann ich mich eine verlogene Sonntagspredigt erinnern, in welcher der Priester gegen den Nihilismus in Brechts Gedicht „Vom ertrunkenen Mädchen“ wetterte. Die selbstgerechte Hasstirade hat in meinem verhagelten Wirrkopf genau das Gegenteil dessen bewirkt, was der katholische Würdenträger beabsichtigte.