
Ich habe Thomas Mann nie besonders gemocht, er ist für mich zu sehr Teil der etablierten deutschen Literatur. Diese Antipathie geht weit zurück und rührt noch her aus meinen Gymnasialjahren Ende der 70er am Reuchlin-Gymnasium in Ingolstadt, als beim Dreigestirn Thomas/Heinrich/Klaus (es gibt ja noch viel mehr Clan-Mitglieder), die Sterne Heinrichs und Klausens (um den altertümelnden Genitiv von Papa zu verwenden) eindeutig heller strahlten als der von Thomas Mann, welchem man vermutlich kaum etwas vorwerfen kann außer seiner aseptischen Perfektion.
Von Thomas Mann habe ich dann logischerweise wenig gelesen, ein paar Geschichten in der Schule, mehr aus schlechtem Gewissen denn aus Interesse den „Zauberberg“ vor vielleicht jetzt auch schon wieder 20 Jahren und, wer weiß, vielleicht auch anderes, das ich vermutlich vergessen habe. Thomas Mann ist und bleibt langweilig.
Vom großen Bruder Heinrich habe ich mehr gelesen, wir sprechen allerdings von fast einem halben Jahrhundert im Rückwärtsgang: „Der Untertan“, die zwei Bücher über „Henri IV.“ Vor allem der „Untertan“ gilt ja als ewig gültiges Psychogramm der deutschen Seele.
Klaus Mann kannte ich nur vom Namen, sein berühmtester Roman „Mephisto“ war damals verboten, weil die Erben Gustav Gründgens eine Unterlassungsklage angezettelt hatten. Klaus ist eindeutig der interessanteste und modernste der drei mit all seinen Schwächen und Widersprüchen, die ihn nur sympathisch machen können. Wenn einer Kommunist, Pazifist, Homosexueller und drogenabhängig ist, und am Ende Selbstmord begeht, wird er es wohl nie in eine Schulbuchanthologie schaffen wie sein großer Übervater.
Klaus Mann ist einer der wenigen Autoren, die in der Lage waren, im Exil ihre Sprache zu wechseln, obwohl er sich der damit verbundenen Schwierigkeiten sehr wohl bewusst war: „Damals hatte ich eine Sprache, in der ich mich recht flink auszudrücken vermochte; jetzt stocke ich in zwei Zungen. Im Englischen werde ich wohl nie ganz so zuhause sein, wie ich es im Deutschen war – aber wohl nicht mehr bin …“
Wahrscheinlich ist Klaus Mann eher ein essayistischer und journalistischer Autor (als ein Schriftsteller von klassischer Fiktion). Lesenswert ist sicher seine Autobiographie „Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht“ (1952) mit vielen erhellenden Erkenntnissen über die dunkelsten Nachkriegsjahre, in denen alles unter den Teppich gekehrt wurde.