Natürlich war mir Karl Valentin auch schon vor dem Lesen von Dimpfls Biographie bekannt. Er gehört ja als Münchner Urviech zum bayrischen kollektiven Unterbewusstsein. Sicherlich habe ich als Kind und Jugendlicher immer wieder Filme von ihm im Fernsehen gesehen, aber wirklich näher beschäftigt hatte ich mich eigentlich nie mit ihm und ihn schnell und vage als eine Art dümmlichen und oberflächlichen Proto-und-Anti-Otto-Waalkes eingeordnet.
Nach der Lektüre von Dimpfls detaillierter und kompetenter Biographie, die allerdings an einem etwas hölzern-behäbigen akademischen Schreibduktus herumaboriert, bin ich da sicher eines Besseren belehrt worden. Karl Valentin redete gern saudumm daher, aber seine zur Schau gestellte Trotteligkeit verbarg viel Intelligenz und Tragik. Er bleibt eine schillernde, schwer einzuordnende Persönlichkeit, zwischen niederer (mehr) und hoher (weniger) Kunst, mit Bildungslücken und Orthographieschwächen, von Thomas Mann, Brecht, Bellow, Tucholsky hoch verehrt, mit einer schwierig einzuschätzenden Haltung zum Nazi-Regime. Den Mut, in den zwanziger Jahren nach Amerika zu gehen und viel Geld in der neuen Tonfilmindustrie zu verdienen oder Deutschland nach Hitlers Machtergreifung zu verlassen, hatte er (leider?) nicht. Dafür fehlte im wohl ein weiter angelegter Blickwinkel über München und Bayern hinaus. Er war sowohl körperlich als auch geistig das, was die Engländer einen freak nennen und damit für das Komiker- und Zirkus-Metier prädestiniert. Am Lebensende im zerstörten Nachkriegsdeutschland wurde er der von allen vergessene traurige Clown, den keiner mehr sehen und hören wollte, der am Rosenmittag starb, am Aschermittwoch beerdigt wurde und dessen unsinniger und vielsinniger Nachlass in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung in Köln-Wahn liegt (wo sonst?).
Lektürealternative wäre die Biografie Karl Valentin: Der grantige Clown von Josef Memminger aus der Reihe kleine bayrische biografien gewesen.