Es gibt ja diese klassische Unterscheidung zwischen U- und E-Literatur, die eigentlich heute keinen Sinn mehr macht, da beide Bereiche rettungslos miteinander vermengt sind und ich an dieser Stelle einen Teufel tun werde, den Versuch der Beschreibung ihrer eventueller Charakteristiken zu unternehmen. Ich verwende die Begriffe hier also unreflektiert und unwissenschaftlich, so etwa wie man „romantisch“ in der Alltagssprache sagt, ohne gleich immer an ein Gedicht von Novalis zu denken. Unterhaltungsliteratur ist in einem solchen Sinn eben Literatur, die „nur“ unterhält und keine Substanz, keinen Tiefgang, keine Bildungsansprüche hat. Ernsthafte Literatur dagegen hat immer solche Ambitionen. Und ist immer auch ein Utopieentwurf und eine Gegenwelt gegen eine als heillos empfundene Wirklichkeit. Wenn man diese zwei Schubladen für einen Definitionsversuch herauszieht, passt David Safiers Roman Mieses Karma (2007 ) natürlich perfekt in keine der beiden, fühlt sich jedoch eindeutig wohler in der Schublade der seicht dahinplätschernden anspruchslosen U-Literatur. Nichts für die Ewigkeit, noch nicht einmal für den Monat später, wenn man das Buch längst schon wieder vergessen hat. Die Geschichte der Reinkarnationen der erfolgreichen Fernsehmoderatorin Kim Lange gäbe vielleicht auch den nötigen Stoff her, um eine Story zu erzählen. Doch 280 Seiten sind für die dünne Substanz definitiv zu lang. Ich war mehrmals versucht die Lektüre abzubrechen und nur ein ziemlich dummes Pflichtbewusstsein des eifrigen Philologen hat die lectio abrupta verhindert. Besonders den Schluss des Buchs fand ich dermaßen hollywoodmäßig kitschig, dass Nie-Gelesen-Haben wahrscheinlich die geistig gesündere Lösung gewesen wäre. Sicherlich gibt es immer wieder gelungenes Pointen im Roman, aber selbst sein Schreibstil wirkte irgendwann auf mich nicht mehr natürlich und originell, sondern generalstabsplanmäßig durchgestylt, ach wie locker und der Jugendszenesprache auf die Schnodderschnauze geschaut. Ernsthafte Ansätze gibt es in Mieses Karma natürlich trotzdem. Kim Lange, die vorher nur auf Karriere, Geld, Rücksichtlosigkeit gesetzt hat, lernt jetzt die Welt von ganz klein und tief unten kennen und erarbeitet sich auf der Reinkarnationsleiter mühsam Werte wie Liebe, Familie, Respekt der anderen. Doch die Vermittlung orientalischer Weltansichten (Buddhismus) im Roman bleibt für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche. Schon auf plumpe Fragen wie „Warum erinnert sich Kim Lange als Fernsehmoderatoren nicht an ihre früheren Wiedergeburten?“ oder „Wie kann das angestrebte Nirwana mit dem glücklichen Leben einer Kleinfamilie gleichgesetzt werden?“ finden in Mieses Karma keine Antwort.