Die Elixiere des Teufels

Nach einer eigenen Zeichnung von E. T. A. Hoffmann

Der 1815 erschiene Debütroman Ernst Hoffmanns ist heute einer der großen Klassiker der deutschen Literaturgeschichte und damit auch Teil der Standardprogramme in Leistungskursen und Literaturseminaren. Gibt es aber darüber hinaus einen Grund so einen dicken 350-seitigen Schmöcker freiwillig und wo möglich auch noch mit Genuss zu lesen? Was mich vor allem an dem Buch beeindruckt hat, ist dessen Sprache. So ein aufgeladenes pathetisches Deutsch aus lange vergangenen Zeiten liest sich einfach wunderbar! Inbrünstige Sehnsucht, lüsternes, glühendes Verlangen, glutvollste Liebe, nach Genuß dürstende Wollust, schändliche Bande, teuflische Arglist: das sind nur ein paar wenige Beispiele des hoffmannschen Stils (2. Abschnitt, Seite 67 der Insel-Tasdchenbuch-Ausgabe). Vom Inhalt her gehört das Buch zur schwarzen Romantik (Schauerromantik), die in der englischen und amerikanischen Literatur als gothic novel stark verbreitet war, in Deutschland aber nur ein ein Nischenprodukt geblieben ist. Hier waren im Regelfall andere Themen präsent: in der Frühromantik vor allem die deutsche Philosophie des Idealismus, in der Spätromantik die Verarbeitung eines politischen Nationalismus. Klassische Motive dieses anglo-amerikanischen gothic novel sind denn auch zuhauf in Hoffmanns Elixieren zu finden: vor allem das allgegenwärtige Doppelgängermotiv, das lange vor der Existenz der Psychoanalyse Themen wie Persönlichkeitsspaltung, Schizophrenie, Wahnsinn, Todestrieb, Blutrausch aus dem Baukasten des Schauerromans auf die braven deutschen Lesetische knallt. Dazu gehört natürlich auch Inzest und ein Stammbaum, wo (fast) alle Protagonisten des Romans sündige Verbindungen eingehen und (fast) jeder mit jedem verwandt ist. Die Verfluchung eines gesamten Geschlechts und die Abwesenheit jeden freien Willens des Kapuziners Medardus, der eine determinierte teuflische Existenz leben muss, sind ideologische Weichenstellungen, die den herrschenden Zeitgeist und den dominierenden christlichen Glauben unweigerlich entgleisen lassen müssen. Auch die Figur der heiligen Aurelie (Rosalia) ist in einem orthodoxen Sinn zutiefst unchristlich. Sie ist nämlich einerseits eine Nonne und spätere Heilige, aber sie ist gleichzeitig auch verliebt in und schicksalhaft verkettet mit dem Mönch und Mörder Medardus und hat damit  alle, auch physischen Qualitäten einer klassischen femme fatale, die ihr Opfer verführt und ihm zum Verhängnis wird. Solche tiefen Gefühle und Gedanken in den Elixieren des Teufels brauchen natürlich geeignete Schauplätze: Alte Kapuzinerklöster, riesige Schlösser, tiefe Wälder und am Ende des Romans ein modriges Terrorgefängnis in den Katakomben Roms, wo Fackeln flackern, irgendjemand dumpf aufstöhnt, Ketten rasseln, Schlösser klirren, Tritte schallen und alles vom Totengeruch durchdrungen ist.

Die Elixiere des Teufels: Nachgelassene Stücke des Bruders Medardus, eines Kapuziners

 

 

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